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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Aufnahmegeld von sechs Gulden« – hier raunten ein paar seiner Freunde, da das doch eine beträchtliche Summe war – »und trug mich in das Bürgeraufnahmebuch ein.« Mertyn machte eine Pause und nahm einen Schluck Wein, bevor er fortfuhr: »Bis dahin war es gar nicht feierlich, sondern eher geschäftsmäßig. Doch dann stand der Schreiber plötzlich auf, und ich musste vor ihm den Bürgereid sprechen. Ich habe gelobt, den Herren vom Rat und ihrer Stadt Köln getreu und hold zu sein und die Stadt vor Schaden zu bewahren. Ebenso musste ich geloben, Recht nur vor städtischen Gerichten und nicht anderweitig zu suchen. Und dann war es auch schon vorbei. Der gute Heinrich Overbach lud mich auf ein Essen ein. Ich glaube, er befürchtet, dass ich demnächst meinen eigenen Handelsgeschäften nachgehen werde.«
    »Und zu welcher Gaffel gehörst du nun?«, wollte einer seiner Freunde wissen.
    »Ich habe mich für das Wollenamt entschieden«, antwortete Mertyn. »Schließlich liegt das nahe, da meine Zukünftige eine Seidmechersche wird.« Er warf Katryn einen zärtlichen Blick zu.
    »Was ist eine Gaffel?«, fragte Fygen leise die Freundin, und während die Männer erneut ihre Becher füllten, erklärte Katryn: »Jeder kölnische Bürger hat Rechte und Pflichten. Er hat das Recht mitzubestimmen, wer die Stadt im Rat vertritt. Damit kein Bürger von der Wahl ausgeschlossen bleibt, muss jeder einer der zweiundvierzig Zünfte, wir nennen sie auch Ämter, angehören. Die wiederum sind in zweiundzwanzig Gaffeln zusammengeschlossen. Denn aus den Gaffeln wird ein großer Teil der Ratsmitglieder bestimmt. Jeder Bürger hat, neben der Pflicht, Steuer zu zahlen und zum Unterhalt der Stadtmauern beizutragen, auch die Pflicht, die Stadt zu verteidigen. Das bedeutet, er muss Wachdienst auf den Mauern leisten und ist verpflichtet, die nötigen Waffen zu besitzen. Jede der zweiundzwanzig Gaffeln ist für die Verteidigung eines bestimmten Abschnittes der Stadtmauer zuständig, das Wollenamt beispielsweise für einen großen Teil der Rheinmauer zwischen Buttermarkt und Holzmarkt. Die Seidmacherzunft ist keiner bestimmten Gaffel zugeordnet, und so können die Mitglieder des Seidamtes sich aussuchen, in welche Gaffel sie eintreten. Sie müssen dann den Gaffeleid leisten und eine Gebühr entrichten. Der Beitritt zu einer Gaffel ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Bürgerschaft.«
    Die Tänzer waren derweil richtig in Fahrt gekommen und drehten sich ausgelassen. Die Röcke der Mädchen flogen übermütig hoch, und immer wieder löste sich ein Paar aus dem Reigen, nahm Anlauf und sprang mit fröhlichem Jauchzen über eines der Feuer. Angestrengt versuchte Fygen, in dem ausgelassenen Getümmel Rudolf und Grete zu entdecken, doch bei den wirbelnden, sich drehenden Menschen war das gar nicht so einfach. Ein stämmiger Bursche mit rundem, vor Eifer glänzendem Gesicht fasste seine Partnerin, ein schmales, durchscheinendes Geschöpf, fester bei der Hand. Das Paar scherte aus der Reihe der Tänzer aus und lief auf ein Feuer zu. Mühelos und grazil schien das Mädchen über die Flammen hinwegzuschweben, während der Eifrige übermütig hochhopste, dabei die Beine anzog und schließlich mit der Grazie eines feuchten Mehlsacks auf der anderen Seite des Feuers landete. Seine Freunde begleiteten den Sprung mit fröhlichem Gejohle. Und der Reigen drehte sich ausgelassen weiter. Dann plötzlich entdeckte Fygen Rudolfs braunen Haarschopf in der Menge und dicht daneben Gretes unscheinbare Krautfrisur. Unter dem Gewicht des Johanniskranzes hatte ihr Haar jegliche Fülle verloren. Doch Fygens Base strahlte. Rudolfs galante Aufmerksamkeit schmeichelte dem Mädchen, und sogar der leicht verkniffene Zug um den Mund herum, der gewöhnlich ihr Gesicht verunzierte, war verschwunden. Grete schien sich prächtig zu amüsieren. Nun zog sie Rudolf an der Hand hinter sich her aus dem Kreis der tanzenden Paare hinaus und hielt auf das größte der Feuer zu. Hoch loderten die Flammen in den dunklen Nachthimmel. Zu spät erkannte Rudolf ihre Absicht, und während Grete immer schneller lief, bemühte er sich, mit ihr Schritt zu halten. Schon hatte Grete den Rand des Feuers erreicht. Mit einer hastigen Bewegung hob sie ihren Rock an und sprang. Ihr massiger Körper flog vorwärts und riss den schmalen Rudolf hinter sich her. Doch sie war zu kurz gesprungen, und Fygen stockte der Atem. Etwas war schiefgegangen. Sei es, dass Grete zu schwerfällig war, sei es, dass

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