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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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schmecken lassen. Vielmehr, Fygen hatte gemütlich gegessen, denn Katryn hatte die Köstlichkeiten kaum angerührt, sondern die meiste Zeit nervös mit den Füßen auf dem Boden gescharrt.
    »Ach, es ist uns eine liebe Gewohnheit geworden«, antwortete Fygen Katryns Mutter. »Die Woche über sitzen wir immer nur in der Werkstatt, da tut etwas Bewegung am Sonntag gut.«
    »Ich verstehe, ihr wollt unter euch sein und hemmungslos schwätzen.« Frau Starkenberg lachte und zwinkerte ihr fröhlich zu. »Da stört eine alte Frau wie ich natürlich.«
    »So in etwa.« Fygen lächelte und fühlte sich scheinheilig. Es tat ihr leid, diese liebe und eigentlich sehr verständnisvolle Frau anlügen zu müssen. Höflich dankte sie für die Gastfreundschaft, während Katryn nur mit Mühe ihre Ungeduld verbergen konnte. Am liebsten wäre sie sofort mit wehenden Röcken aus dem Haus gerannt.
    Kalter Westwind fuhr ihnen ins Gesicht, als sie auf die Straße traten. »Willst du unbedingt erreichen, dass es auffliegt?«, schalt Fygen, als sie ein Stück weit die Rheingasse in Richtung Marienstift gegangen waren. Nur mit Mühe konnte sie mit der Freundin Schritt halten. »Du musst dich einfach besser beherrschen.«
    »Ach, wie soll ich denn?«, antwortete Katryn aufgekratzt, und Fygen schüttelte verständnislos den Kopf. »So viel Aufhebens nur wegen eines Mannsbildes«, brummte sie.
    »Warte ab, wie viel Aufhebens du machst, wenn es dich einmal erwischt«, entgegnete Katryn lachend und stemmte sich gegen den Wind.
    »So schlimm wird es schon nicht werden.«
    An der Ecke zu St. Peter trennten sie sich, und Fygen kehrte im großen Bogen durch die Schildergasse zurück zum Alten Markt. Erst in zwei Stunden würde sie Katryn in der Judengasse hinter dem Rathaus wiedertreffen, doch bei dem Wetter fand Fygen wenig Vergnügen daran, durch die Stadt zu streifen. So kam ihr der Gedanke, wieder einmal die alte Marie zu besuchen.
    Fygen schüttelte die Kälte ab, als sie die Tür des kleinen, windschiefen Hauses aufdrückte, denn drinnen war es wohlig warm, und im Kamin brannte ein gemütliches Feuer. Die alte Seidspinnerin saß in einem hohen Lehnstuhl und lächelte erfreut, als Fygen eintrat. Die Hände der alten Frau schienen nie müßig zu sein, stellte Fygen fest, denn selbst während Marie Fygen begrüßte, bewegten sie mechanisch eine hölzerne Spindel.
    Der Seidspinnerin war Fygens Blick nicht entgangen, und mit ihrer altersfleckigen Rechten winkte sie Fygen zu sich heran. »Kind, setz dich hier zu mir, ich zeige dir, wie es geht. Es schadet gar nichts, wenn du weißt, wie das Garn hergestellt wird, das du verwirkst.«
    Gehorsam nahm Fygen neben ihr auf einem Hocker Platz, und Marie drückte ihr eine hölzerne Spindel in die Hand.
    »Zum Verspinnen von Seide nimmt man am besten einen leichten Spinnwirtel mit gutem Drall«, erklärte Marie und wies auf die Spindel in Fygens Hand, einen glatten, nicht zu dicken Stab, an dessen unterem Ende ein scheibenförmiges Stück Holz befestigt war. Sie griff in einen Korb und brachte zwei Bündel Rohseide zum Vorschein. Geduldig suchte sie jeweils den Anfang des Fadens, verdrehte die Enden miteinander und legte sie dann zu einer Schlaufe. Diese befestigte sie geschickt an der Spitze des Spindelstabes. Dann nahm sie Fygen die Spindel ab, setzte sie in Bewegung, und die beiden Fäden verdrehten sich miteinander. Stück für Stück gab sie von den rohseidenen Fäden nach, bis der verdrehte Faden etwa Armeslänge erreicht hatte. Dann löste sie die Schlinge an der Spitze und wickelte den Faden auf die Spindel. Und erneut drehte sie die Spindel. Aufmerksam hatte Fygen jede ihrer Bewegungen verfolgt, und als Marie ihr die Spindel zurückgab, stellte sie sich nicht so ungeschickt an. Es war nicht leicht, der Spindel den rechten Schwung zu geben, so dass sie sich kräftig drehte, aber nicht herumeierte. Auch war sicher einige Erfahrung vonnöten, um dem Faden auf der ganzen Länge des Garnes eine gleichmäßige Drehung zu geben. Immer wieder ließ Marie Fygen aufs Neue drehen, bis sie mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden war. Dann nahm sie Fygen die Spindel fort, wickelte den gesponnenen Faden ab und legte ihn auf die Hälfte zusammen.
    »Nun schauen wir mal, ob du auch zwirnen kannst«, sagte Marie und bedeutete Fygen, die doppelt geschlagene Mitte an der Spindel zu befestigen.
    »Zwirnen ist nichts anderes, als zwei gesponnene Fäden miteinander zu verdrehen. Allerdings in die entgegengesetzte

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