Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
dem Gürzenich, Kölns stolzem Tanzhaus. Und es waren viele, die der Einladung folgten. Krieg in Neuss hin oder her, gerade in solch einer schweren Zeit war jede Ablenkung willkommen, und die Kölner wären nicht Kinder ihrer Stadt, hätten sie eine Gelegenheit ausgeschlagen, ausgiebig zu feiern. Neben Peters und Fygens engsten Freunden waren vor allem einflussreiche Mitglieder der Zunft und wohlhabende Kaufleute, meist Geschäftspartner von Peter, gekommen. Hier und da sah man sogar ein ehrwürdiges Mitglied des Rates der Stadt.
Wenn auch manch einer über Peters Wahl verwundert gewesen war, so waren die Gäste doch alle bedacht genug, sich dies in keiner Weise anmerken zu lassen. Peter hatte seine Wahl getroffen, daran war nun nichts zu ändern, und der Frau Lützenkirchen, Gattin des wohlhabenden Kaufmannes und ehrenwerten Seidenhändlers, gebührte entsprechender Respekt. So waren denn auch die Geschenke der Gäste üppig bemessen. Nahmen doch die Kästen mit silbernen Löffeln, Rollen von Tischdamast, zinnenen Bechern und Krügen einen ganzen Tisch im Saal ein. Ein Witzbold hatte sogar unbemerkt eine geschnitzte, beinerne Babyrassel zwischen die Geschenke geschmuggelt.
Kaum hatten sie den Festsaal betreten, als Peter schon von einigen seiner Freunde umringt wurde. Während Fygen zusah, wie seine blaue Juppe unter fröhlichem Scherzen und Schulterklopfen zwischen seinen Freunden verschwand, verspürte sie einen kleinen Stich und fühlte sich für einen Moment sehr allein. Um sich herum sah sie Frauen in wunderschönen Roben, flieder- und pfirsichfarben, silberbestickt, burgunderrot und honiggelb. Weite Ärmel, Schleppen, die bis auf den Boden reichten, goldbeschlagene Gürtel und blitzende Reifen in aufgesteckten Frisuren. Nie hatte sie solch eine Pracht gesehen. Plötzlich überfiel sie eine unbestimmte Angst. Was hatte sie hier verloren zwischen all diesen vornehmen Menschen? Sie atmete tief durch, um die Angst zu unterdrücken, dann spürte sie, wie sich eine Hand auf ihren Arm legte. Fygen wandte den Kopf, und zu ihrer grenzenlosen Erleichterung war es Katryn, die nach ihr gesucht hatte. Mit einem einzigen Blick erfasste sie, was in Fygen vorging. »Ich bleibe bei dir«, flüsterte sie. »Komm, stellen wir uns deinen Gästen, ich bin sicher, sie wollen ihre Glückwünsche loswerden.«
Fygen entdeckte ein bekanntes Gesicht, sah die üppige Gestalt von Dora van Attendarne, ganz in pflaumenfarbene Seide gehüllt, auf sich zusegeln. Jene Hauptseidmacherin, die damals im Zunftvorstand dafür gestimmt hatte, dass sie ihre Lehrherrin wechseln durfte, wenn auch nur, um endlich der Hitze in Byrkens Kontor zu entkommen. Doch sie schien Fygen nicht wiederzuerkennen. »Meinen Glückwunsch, Frau Lützenkirchen. Und welch ein entzückendes Kleid. Elfenbein passt hervorragend zu Eurem Teint.« Freundlich reichte sie Fygen ihre mollige Hand. Fygen knickste, murmelte kaum vernehmlich ein paar Dankesworte und versuchte sich an einem Lächeln.
»Eine schüchterne Braut, wie entzückend«, befand Frau van Attendarne laut, tätschelte ihr wohlwollend den Arm und machte den hinter ihr stehenden Gratulanten Platz.
Als Nächste trat eine groß gewachsene Frau mit eingefallenen Wangen auf Fygen zu. Ihr blaues Kleid war weit schlichter und schmuckloser als die Roben der meisten anderen Damen. »Alles Gute zur Verehelichung«, wünschte sie höflich.
Wieder knickste Fygen, und ihr Lächeln wurde schon sicherer.
Die Frau schaute sie verdutzt an, nickte dann und entfernte sich rasch ohne ein weiteres Wort.
Bevor Fygen den nächsten Gästen die Hand reichen konnte, nahm Katryn sie beiseite. »Das musst du nicht tun!«, zischte sie leise.
»Was muss ich nicht tun?«
»Vor dieser Frau knicksen.«
Fygen schaute sie überrascht an, und Katryn erklärte ihr: »Sie ist die Frau eines kleinen Kaufmannes und steht gesellschaftlich weit unter dir. Es wäre eher an ihr gewesen zu knicksen.«
»Und wie erkenne ich, vor wem ich zu knicksen habe und vor wem nicht?«, wollte Fygen irritiert wissen. Gerade hatte sie angefangen, sich ein wenig sicherer zu fühlen, da hatte sie auch schon den ersten Fehler gemacht.
»Du brauchst jetzt nicht mehr vor so vielen zu knicksen, am besten du reichst nur die Hand, lächelst und nickst freundlich. Schaffst du das?«
Fygen nickte. Es war ihre erste Benimmstunde, und ihr begann zu dämmern, dass das Leben an der Seite eines erfolgreichen Kaufmannes wohl anders sein würde als ihr bisheriges. Tapfer
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