Die Seilschaft
ein begossener Pudel vor. So hatte er sich die Befragung Schwerdts nicht vorgestellt. Wie konnte es passieren, dass ihm so schnell der Wind aus den Segeln genommen worden war? Noch bevor er einen letzten Versuch unternehmen konnte, klingelte ein Handy.
Schwerdt griff in die Tasche und holte es hervor. Er hörte aufmerksam zu, was ihm der Anrufer zu sagen hatte.
«Nein», sagte er entschieden, «das werde ich nicht tun.»
Nach einer Weile folgte das nächste Nein, und wieder eins, bis er sich schließlich dem Urteil ergab. Bleich und wortlos steckte er das Handy zurück in die Tasche.
Dann trat er vor die Presse.
13
Gefasst und ohne die erwarteten zornigen Worte gab er vor den Kameras seinen Rücktritt bekannt, um die Ermittlungen im Mordfall Petra Bauer mit seinem Amt nicht zu behindern.
Er wirkte weder zerknirscht noch verbittert, sondern zeigte im Moment seiner größten Niederlage Haltung. Wahrscheinlich hatte ihn genau diese Eigenschaft – die wahren Gefühle gegen falsche auszutauschen und sie glaubwürdig darzustellen – ins Amt gebracht.
Kilian zollte diesem Schritt Respekt, obwohl er um die erzwungene Entscheidung aus München wusste. Es war die Art, wie sich Schwerdt vor den Augen der Öffentlichkeit präsentierte. Dynamisch, eloquent und medienkonform waren die Attribute, mit denen er einst in das Amt des Generalsekretärs gehievt worden war. Diese Erwartungen hatte er nicht enttäuscht. In den vierundzwanzig Monaten seiner Amtszeit war er zum Shootingstar einer Altherrenpartei gereift, die mit seinem jugendlichen Elan verlorene Wählerstimmen zurückgewinnen wollte.
Was mit dem Elan eines Mittdreißigers jedoch auch einherging, war sein Hang zum sexuellen Übereifer und der daraus resultierenden Angreifbarkeit. Hatte der Nimbus eines Sexprotzes ihm vor Jahren noch stille Bewunderung der Parteifreunde eingebracht, so war er nun ein weithin sichtbarer und nicht zu kontrollierender Unsicherheitsfaktor bei der Neufindung der ehemaligen Volkspartei geworden. Dieser Gefahr galtes entgegenzutreten. Der Casanova musste schnellstens aus dem Rampenlicht verschwinden.
«Er ist ein Schauspieler vor dem Herrn», sagte Kilian.
Er lag entspannt auf der Couch und schaute Nachrichten. Neben ihm Pia, mit zahlreichen Kissen gestützt und gepolstert, um die Last ihres Bauches auszugleichen.
«Was ist so toll an ihm?», fragte sie.
«Wie schnell er umschalten kann. Du hättest ihn heute erleben sollen, wie er die Befragung überstanden hat, dann die Nachricht aus München erhielt und nur eine Minute später vor die Kameras trat. Das ging Schlag auf Schlag, ohne dass er die Selbstkontrolle verlor.»
«Klingt fast so, als würdest du ihn bewundern.»
«In gewisser Weise schon. Dabei ist er ein absolut triebgesteuerter Typ.»
«Inwiefern?»
«Frauen sind sein Objekt der Begierde.»
«Frauen sind immer noch Subjekte», korrigierte Pia.
«Da bin ich mir bei ihm nicht sicher. Nach allem, was ich von ihm gehört habe, lässt er keinen Frauenpo unberührt.»
«Ein Grabscher? Das ist ja eklig.»
«Nein, nicht in diesem Sinn. Er ist ein Frauenheld.»
«So wie Willy Brandt oder Bill Clinton?»
«Sag du es mir. Was macht ihn für Frauen so interessant?»
Sie richtete sich auf, rückte näher an den Bildschirm heran.
«Auf den ersten Blick schaut er völlig durchschnittlich aus. Da ist nichts, was ihn irgendwie attraktiver als andere macht.»
«Und auf den zweiten Blick?»
«Kann ich nicht sagen. Dazu müsste ich ihn kennenlernen. Vielleicht gewinnt er, wenn er den Mund aufmacht.»
Kilian nickte. «Wie er sich heute aus dem Schuldvorwurf zum Mord befreit hat, war schon nicht schlecht.»
«Und das stinkt dir jetzt.»
«Irgendwie ja. Andererseits muss ich anerkennen, dass er besser war als ich.»
Pia nahm ihn in den Arm. «Was bist du nur für ein fairer Sportsmann.» Sie küsste ihn.
«Im Ernst, Männer können akzeptieren, wenn jemand etwas besser kann als sie.»
«So ein Quatsch», widersprach Pia. «Männer plärren wie kleine Jungs, wenn sie verlieren.»
«Und Frauen?»
«Wir verzeihen nicht.»
Kilian richtete sich auf. Gab es da eine Seite an Pia, die er noch nicht kannte? «Und wieso könnt ihr das nicht?»
«Weil eine Verletzung für uns mehr ist, als eine Runde zu heulen und dann weiterzumachen, als sei nichts gewesen. Eine Verletzung erschüttert, beleidigt und demütigt uns. Da gibt es nichts mehr zu reparieren. Die einzige Medizin dagegen heißt Vergeltung.»
«Wieso wird dann noch immer
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