Die Seilschaft
Richtige tat. Aber die Notiz, die er an Petra geschrieben hatte und die ihm zum Verhängnis werden konnte, war noch immer nicht beseitigt.
Zumindest hatte sie dieser Kommissar Kilian nicht in die Hände bekommen, anderenfalls hätte er sich nicht mit einer Befragung begnügt. Er musste handeln, bevor es zu spät war.
Bender hatte vorgesorgt. Die Taschenlampe war mit rotem Seidenpapier umwickelt, sodass ihr Schein den Weg erhellte, aber nicht von weitem erkannt werden konnte.
Jetzt war es so weit. Er ging los. Die dürren Äste knackten unter seinen Füßen, und irgendwo im dunklen Wald hörte er flüchtendes Wild. Wenn es bei diesen Zeugen blieb, sollte es ihm recht sein. Unter keinen Umständen durfte er jedoch von einem Menschen erkannt werden, der vor Gericht gegen ihn aussagen könnte. Eine alte Skimütze mit zwei Löchern für die Augen sollte das verhindern.
Wie erwartet war die Tür der Hütte mit einem Siegel der Polizei versehen. Wenn er sie öffnete, würde das Siegel brechen,und die Polizisten wussten, dass jemand den Tatort aufgesucht hatte. So dumm würde er nicht sein. Er wusste, dass das Siegel von jemandem angebracht worden war, der keine Ortskenntnis besaß.
Wer jemals in der Hütte übernachtet hatte, kannte aber die kleine Durchreiche, mit der man Zugriff auf das Brennholz gewann, ohne die Wohnküche verlassen zu müssen. Das war nicht nur praktisch, sondern für einen aufmerksamen Einbrecher das bevorzugte Ziel.
Nur zu beleibt durfte man nicht sein, um die enge Passage zu überwinden. Bender hegte keinen Zweifel, dass er die Anforderung erfüllte.
Der Holzschuppen war Teil des gemeinsamen Dachs und beherbergte zwei sauber aufgeschichtete Reihen von gespaltenem Holz. Vorsichtig trug er sie ab. Dahinter kam die Durchreiche zum Vorschein. Sie war nicht verschlossen, sondern öffnete sich auf sanften Druck.
Mit den Beinen voran zwängte er sich in das Loch. Die Hüfte passierte problemlos, an den Schultern wurde es knapp. Er nahm die Hände zu Hilfe und stemmte sich in den weichen Untergrund, der mit Holzspänen bedeckt war. Einmal fest dagegenhalten, und es sollte gelingen.
«Autsch.»
Ein Spreißel fuhr ihm in den Handballen, und er biss sich auf die Lippen. Wenn er blutete, würde er die Spuren beim Verlassen der Hütte beseitigen müssen. Doch dazu später, wenn er gefunden hatte, weshalb er gekommen war.
In der Wohnküche stand er in absoluter Dunkelheit. Die Läden waren verschlossen und schirmten jedes fremde Licht von außen ab.
Er betätigte den Lichtschalter. Mehrmals. Kein Strom. Der Besitzer musste im Hinblick auf die horrende Stromrechnung auf Nummer sicher gegangen sein.
Es sollte ihn nicht stören, er hatte seine Taschenlampe dabei.
Der rote Lichtkegel streifte eine Küchenkommode. Daneben hing ein Regal mit zurückgelassenen Büchern an der Wand.
Tim und Struppi, Wanderwege im Würzburger Land, Leonhard Franks Räuberbande.
Er suchte nach einem anderen Band.
Von Cappuccino bis Sauerwein.
Er hatte darin gelesen, als er auf Petra gewartet hatte.
Da war er endlich, der letzte im Stapel. Unauffällig und doch verräterisch. Er konnte nur hoffen, dass sich die Polizisten auf die Spurensicherung von Blut, Speichel und Haaren konzentriert hatten und nicht auf harmlose Lesezeichen in einem Buch.
Auf Seite achtundneunzig wurde er fündig.
Komm zur Hütte. Dort können wir ungestört reden. Love Lutz.
Das Buch stellte er zurück, wie er es genommen hatte. Tatortfotos dokumentierten jede Ecke in dieser Hütte. Ein aufmerksamer Kommissar könnte auf dumme Gedanken kommen.
Der Weg zurück durch die enge Durchreiche verlief erneut mit Nachdruck, aber erfolgreich. Die Holzscheite waren ebenso schnell wieder errichtet, und der blutige Holzspan wurde sicher in der Hosentasche verstaut.
Es hatte alles wie am Schnürchen geklappt. Er war zufrieden mit sich und radelte in der Dunkelheit zurück zu seinem Wagen.
Was Lutz Bender aber nicht hörte, war der Auslöser einer Kamera, die den Einbruch dokumentierte.
Der Fotograf war nicht nur für Nachtaufnahmen gut ausgerüstet, sondern er hatte auch ein Auge für Kleinholz.
Ein weiterer Blutstropfen sollte Lutz Bender ans Messer liefern.
18
Die Messfeier ging mit mahnenden Worten des Priesters zu Ende.
«… und es handelt sich eben nicht um zwei Paar Stiefel, wie es fälschlicherweise behauptet wird, wenn die private Lebensweise im Widerspruch zum politischen Handeln steht. Nur wer wahrhaftig mit sich und den Menschen ist, im
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