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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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bitter.

19
    Der Morgen hatte mit einer Nachuntersuchung in der Universitätsklinik begonnen.
    Die Ergebnisse bescheinigten Kilian eine Besserung seines Zustands, wenngleich er noch immer Schmerzen verspürte. Er verschwieg sie auf Nachfrage des Arztes, gab vor, es ginge ihm so gut wie seit langem nicht mehr.
    Der Arzt schaute ihn ungläubig an, wie einen Simulanten, der sich mit seiner Täuschung einen Vorteil erhoffte. Aber Kilian hielt den Zweifeln stand. In den vergangenen Tagen war er mehrmals in eine andere Rolle geschlüpft, und je öfter er es tat, desto routinierter wurde er.
    Ein ganz anderes Bild gab sein Kollege Heinlein ab.
    Kilian beobachtete ihn vom Fenster der Klinik aus, wie er im Garten spazieren ging. Heinlein wirkte auf ihn in sich gekehrt, von der Welt um ihn herum abgeschirmt. Er schlenderte durch das Grün und genoss einen weiteren Spätsommertag.
    Die Sonne wärmte, und er hatte die Ärmel hochgekrempelt. Fast schien es so, als wollte er sich gleich auf einer Liege langmachen und nichts anderes tun, als zu dösen. Kilian beneidete ihn für einen Moment. Doch im anderen fragte er sich, wie lange diese Seligkeit noch anhalten würde.
    Pia hatte ihm beim Frühstück prophezeit, dass nach der Beruhigungsphase die eigentliche Erforschung von Heinleins Erkrankung begänne. Und dann könnte es mit dem Frieden ganz schnell vorbei sein. Wochen, vielleicht Monate aufzehrender Therapiegespräche und der Selbstreflexion standen ihm bevor.
    Kein Zuckerschlecken, wie Pia meinte. Wer den Blick zu lange in den Vorgarten seines Daseins gerichtet hatte, würde überrascht sein, wen er im eigenen Haus vorfand.
    Noch bevor sich Kilian still von seinem Freund verabschieden konnte, fiel ihm der junge Mann auf, dessen Vater er vor kurzem an dieser Stelle getroffen hatte. Er wirkte ebenfalls in sich gekehrt, allerdings auf eine ganze andere Art.
    In seinen Händen hielt er einen Rubik-Würfel – einen Zauberwürfel, wie er in den achtziger Jahren sehr beliebt war. Die sechsunddreißig Mosaikflächen mussten durch stetes Drehen wieder in die Ausgangslage gebracht werden. Das war eine Aufgabe, an der Kilian bereits gescheitert und verzweifelt war. Man musste vermutlich eine besondere Begabung dafür mitbringen, die er nicht besaß.
    Genauso wenig wie der junge Mann, dessen Handbewegungen zunehmend ungeduldiger wurden. Er drehte und wendete den Zauberwürfel, als hielte er eine glühende Kohle in der Hand. Schließlich stand er auf, warf das Ding zu Boden und trampelte darauf herum. Als er feststellte, dass der Würfel ihn nicht länger fordern würde, ließ er von ihm ab und verschwand unter den Bäumen ins angrenzende Waldstück.
    Heinlein hatte den Vorgang beobachtet. Er erhob sich, nahm den Würfel und begann nun selbst das Rätsel zu lösen. Ruhig und besonnen drehte er eine Mosaikfläche nach der anderen.
    Das war ein guter Anfang, dachte Kilian und machte sich auf den Weg ins Büro.
     
    Ohne die Aufforderung, umgehend bei Klein zu erscheinen, schaffte er es diesmal an der Anmeldung in der Kriminalinspektion vorbei. Als er sein Büro betrat, wehte ihm der Duft frisch aufgebrühten Kaffees um die Nase.
    «Kann ich auch einen haben?», fragte er Sabine, die im Nebenzimmer saß.
    «Klar, greif zu.» Sie kam herüber. «Hast du Schorsch gesehen?»
    «Es geht ihm gut», antwortete er. «Er wirkt entspannt und zufrieden. Mach dir keine Sorgen.»
    Sie setzte sich zu ihm an den Schreibtisch. «Hast du etwa mit ihm gesprochen?»
    «Nein, ich konnte ihn vom Fenster aus beobachten. Er machte einen gelösten Eindruck. Der wird schon wieder.»
    «Wollen wir es hoffen.» Sie seufzte. «Und wie geht es dir?»
    «Kann nicht klagen. Der Arzt sagt, ich sei so gut wie neu.»
    Sabine hegte keine Zweifel an seinen Worten.
    «Dann bist du also wieder voll einsatzfähig?»
    «Wie am ersten Tag.»
    Sie reichte ihm den Bericht, der am Morgen aus der Gerichtsmedizin eingetroffen war.
    «Der forensische Anthropologe konnte nichts feststellen. Pia hat mir mitgeteilt, dass damit jede Chance auf Feststellung der Todesursache vergebens ist.»
    Kilian überflog die wenigen Zeilen. «Am Todeszeitpunkt ändert sich aber nichts, wenn ich das richtig sehe.»
    Sabine stimmte zu. «Zwischen dem Verschwinden von Petra Bauer und der angenommenen Dauer der   …» Sie hielt inne. «Ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll. Der
Auflösung ihres Körpers

    «Nenn es, wie du willst. Es bleibt sich gleich. Jemand hat Petra Bauer nahezu spurlos

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