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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
werden.
    «Der Begriff Netzwerk und wie es funktioniert ist Ihnen bekannt?»
    Kilian nickte.
    «Netzwerke und ihre Anwendung sind die Grundlage von demokratischer Entscheidungsfindung. Per se ist nichts gegen sie einzuwenden, im eigentlichen Sinne wären wir ohne Netzwerke ziemlich aufgeschmissen. Es ist eher die Frage, wie ein Netzwerk aufgebaut ist und welchen Zweck es verfolgt.»
    Kilian winkte ab. «Danke für die Nachhilfe. Aber was hat das mit Ihrem Verdacht zu tun?»
    «Gedulden Sie sich», beruhigte ihn Schwerdt, «wir sind gleich bei einem sehr interessanten Netzwerk. Wichtig ist die Struktur. Wer ist wie an einem Netzwerk beteiligt? Stellen Sie sich ein Gewebe vor, ein Stück Stoff zum Beispiel. Die Fäden laufen von links nach rechts, von oben nach unten, sie überkreuzen sich. Diese Anordnung der Fäden gibt dem Gewebe eine genau vorhersehbare Struktur, aber auch Festigkeit. Nachteil ist jedoch, dass die Struktur recht starr ist, sodass sie auf neue Anforderungen oder Einflüsse nur in einem geringen Maße reagieren kann. Für die heutigen Herausforderungen ist dieses Netzwerk nur bedingt geeignet.»
    «Es fehlt an Elastizität.»
    «Besser ausgedrückt: an Wandlungs- oder Anpassungsfähigkeit. Bleiben wir beim Gewebe. Stellen Sie sich jetzt vor, die Fäden verlaufen nicht mehr über Kreuz, sondern es bilden sich Knotenpunkte, von denen in alle Richtungen Fäden ausgehen, aber auch einlaufen. Jeder dieser selbständig agierenden Knotenpunkte wäre so mit einer Vielzahl anderer Knoten verbunden, also mit dem gesamten System. Vorteil dieser komplexen Struktur ist es, dass eine Kommunikation zwischen den Knoten sehr rasch durchgeführt werden kann, da viele mit vielen verbunden sind.»
    «So wie unser Gehirn aufgebaut ist?»
    «Richtig, aber auch das Internet. Es ist das gleiche Prinzip. Eine hohe Verknüpfungsrate. Der Nachteil dieser Struktur besteht aber darin, dass sie nur schwer zu kontrollieren ist – was im Falle des Internets anfänglich auch so gedacht war.»
    «Es reicht», unterbrach Kilian. «Ich will keine Vorlesung in Netzwerktechnologie von Ihnen hören. Sagen Sie mir einfach, was dahintersteckt.»
    «So schnell und einfach werden Sie den Mordfall an Petra nicht aufklären. Erst wenn Sie das System verstanden haben, kommen Sie hinter die eigentlichen Strukturen und damit zum Mörder. Also, wollen Sie das oder nicht?»
    Kilian seufzte. «Wenn es sein muss. Aber machen Sie es nicht so kompliziert, und vor allem: Machen Sie es kurz.»
    Schwerdt versprach es. «Es stellt sich nun die Frage: Wozu gibt es dieses Netzwerk oder womit handelt es? Beginnen wir mit Letzterem. In der Politik geht es wie in vielen anderen Bereichen um Informationen. Diese gilt es schnell und umfassend zu sammeln, ebenso wie sie schnell und zielgenau an die Stelle zu bringen, wo sie gebraucht werden. Wer als Erster über die entscheidende Information verfügt, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil und kann anstehende Entscheidungen für sich gewinnen. Wer darüber nicht verfügt, bleibt außen vor.Hat verloren. Kann nach Hause gehen. Ist faktisch nicht mehr existent. Tot.»
    «Über welches Netzwerk sprechen wir hier eigentlich?»
    «Geduld», forderte Schwerdt, «gleich sind wir so weit. Das Netzwerken ist nichts Neues, eigentlich ein alter Schuh. Jeder Politiker versucht seit Jahrhunderten, so viele Informationen wie auch Menschen wie möglich hinter sich zu bringen. Bislang waren diese Netzwerke ziemlich starr. Will heißen: Warst du einmal Knotenpunkt dieses Netzwerkes, dann bleibst du es ein Leben lang.»
    «Ansonsten droht der Tod. Wie bei der Mafia.»
    «Richtig. Doch seit einigen Jahren ist diese starre Zugehörigkeit aufgehoben. Jeder Knotenpunkt sucht sich ein geeignetes Netzwerk, gliedert sich ein und profitiert so lange davon, wie es ihm nützt. Wenn ein anderes Netzwerk mehr Erfolg verspricht, wechselt er, oder, wenn er ein ganz Schlauer ist, dann ist er Bestandteil mehrerer Netzwerke zugleich. Das kann durchaus gewollt sein, wenn man für das eigene Netzwerk Informationen benötigt, die nur in einem anderen vorhanden sind. Nachteil dieser offenen Architektur ist jedoch die fehlende Bindung an das Mutternetzwerk, das einen ernährt und beschützt. Schließlich will man ja irgendwo zu Hause sein.»
    Kilian gähnte. Es fiel ihm schwer, diesem Professor für Netzwerktechnologie noch länger zuzuhören. Wann kam er endlich zum Punkt?
    «So weit, so gut», sprach Schwerdt unbeirrt weiter. «Das ist die klassische

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