Die Seilschaft
sein Anwalt hatte ihm geraten, zu allem zu schweigen, was ihn möglicherweise belastete.
Sandra Wagner. Sie war Ute Mayers Duzfreundin und schied demnach auch aus.
Kilian bemühte seine Erinnerung, wer sich noch im unmittelbaren Umfeld der Wahlkampfveranstaltung aufgehalten und vielleicht etwas mitbekommen hatte.
Da war der Vorredner gewesen, der die Zuhörer für den Auftritt Wohlfarths vorbereiten sollte. Doch der war schnell hinter der Bühne verschwunden, als sein Vortrag im allgemeinen Desinteresse unterging. Dann war die Bühne für ein paar Minuten leer gewesen, bevor Wohlfarth sie betrat.
Nicht ganz, sagte sich Kilian. Es gab noch einen Techniker, der das Mikrophon für den nächsten Redner einstellte.
Die Chance, von ihm etwas zu erfahren, war gering. Aber manchmal war der Teufel ein Eichhörnchen. Ein amerikanischer Präsident hatte bei einer Wahlkampfrede mal abfällig über einen Reporter gesprochen, da er glaubte, das Mikrophon vor ihm sei abgeschaltet. Die Beleidigung ging ungefiltert in die ganze Welt hinaus.
Nach einigen Telefonaten stand Kilian im Hinterhof eines Verleihs für Bühnentechnik. Mehrere Männer beluden gerade einen Lkw mit Scheinwerfern und Lautsprechern.
«Kilian, Kripo Würzburg. Ich suche einen Ihrer Mitarbeiter, der an der Wahlkampfveranstaltung am Unteren Markt für das Rednermikrophon zuständig war.»
«Sie haben ihn gefunden», erwiderte ein Mann, und Kilian glaubte sich an ihn erinnern zu können. «Das war ich.»
«Haben Sie zufällig die Rede, die Günter Wohlfarth an jenem Tag gehalten hat, aufgezeichnet?»
Der Mann verneinte.
«Unser Auftrag galt nur der Beschallung des Marktplatzes. Worum geht es genau?»
«Günter Wohlfarth hatte einen kleinen Disput mit einer Frau, die sich mit ihm in der Nähe des Mikrophons aufgehalten hat. Ich würde gern wissen, worum es dabei ging.»
«Ich erinnere mich. Das war unmittelbar vor seinem Zusammenbruch.»
«Richtig. Haben Sie vom Inhalt der Unterhaltung etwas aufschnappen können?»
«Tut mir leid, ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Aber ich weiß noch so viel, dass diese Frau …»
«Ute Mayer.»
«Kann sein, ich kenne sie nicht, sie war auf jeden Fall ziemlich zickig drauf.»
«Wieso das?»
«Sie hatte mit ihrer Hand am Mikro rumgefummelt, und das ist das Letzte, was ein Tontechniker gebrauchen kann. Ich habe ihr dann gesagt, dass sie das bleiben lassen soll, und da fährt mich diese Schnalle plötzlich an, als ob sie mir am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre.»
«Und was sie zu Günter Wohlfarth gesagt hat, haben Sie nicht gehört?»
«Ich weiß, dass sie ihm etwas mitgeteilt hat und dass es von Bedeutung gewesen sein muss. Aber verstanden habe ich von dem nichts. Dieser alte Mann war auf jeden Fall tief erschüttert. Er hat danach einen Herzinfarkt gehabt, richtig?»
Kilian nickte.
«Es schaut nicht gut für ihn aus. Deshalb würde ich gern wissen, ob die Bemerkung von Ute Mayer damit zu tun hat. Zu dumm, dass Sie die Rede nicht aufgezeichnet haben.»
«Warten Sie», antwortete er. «Am selben Stativ war das Mikro des Fernsehens angebracht. Das konnte das Weibsbild nicht zuhalten. Ich wette, die haben alles auf Band.»
«Wen muss ich dafür ansprechen?»
«Fragen Sie nach einem Harry. Er arbeitet ab und zu für mich. Wenn Sie Glück haben, hat der das Band noch nicht gelöscht.»
Kilian ließ sich dessen Telefonnummer geben und verabredete sich mit ihm im Sender.
Harry erwartete Kilian mit einem Lächeln im Tonstudio.
«Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauert, bis einer von euch hier auftaucht.»
«Wieso das?», fragte Kilian.
«Na, wegen diesem Mitschnitt von der Rede Wohlfarths.»
«Was ist damit?»
«Ich hätte wahrscheinlich auch einen Herzinfarkt bekommen,wenn das einer zu mir gesagt hätte. Eigentlich sollte diese Mayer angezeigt werden.»
«Das heißt, Sie haben die Bemerkung Ute Mayers auf Band?»
«Ja, klar.»
Kilian war verwirrt. Wieso sprach Harry so offen über das aufgezeichnete Gespräch?
«Am besten spielen Sie es mir mal vor.»
Harry reichte ihm einen Kopfhörer. «Setzen Sie den auf.»
«Können wir das nicht über die Lautsprecher anhören?»
«Glauben Sie mir, es ist besser so.»
Kilian folgte seiner Anweisung. Zuerst hörte er Wohlfarth, wie er den ersten aufkommenden Pfiffen trotzte. Dann brach er ab. Das muss der Zeitpunkt gewesen sein, als ihm der Notizzettel vom Rednerpult gefallen war. Wohlfarth fluchte leise. Im Hintergrund waren Schritte zu
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