Die Seilschaft
besten wüssten, was damit anzufangen ist.»
«Blödsinn. Das kann uns beide den Job kosten.»
«Wir können aber nicht so tun, als ob es diese Aufnahme nicht gibt.»
«Niemand spricht davon, sie verschwinden zu lassen. Aber was fangen wir damit an?»
Klein erhob sich. Er war angespannt und verärgert.
«Hätten Sie nicht zu jemand anderem gehen können?»
«Sie als mein Vorgesetzter …»
«Seien Sie still.»
Er blickte zum Fenster hinaus, als ob er dort die Lösung für die Misere finden würde.
«Ist das Band schon asserviert?»
«Nein», antwortete Kilian, «dann hätten wir uns um eine Möglichkeit gebracht.»
Er hasste sich für diese Worte. Mit ihnen war er auf dem besten Weg, Harrys Befürchtung wahr werden zu lassen.
«Gut», erwiderte Klein nach einer Weile, «wir machen Folgendes: Das Band geht in die Asservatenkammer – inoffiziell und ohne einen Hinweis, dass es das Band überhaupt gibt. Sorgen Sie für eine sichere und unauffällige Stelle, auf die niemand Zugriff hat. Das verschafft uns Zeit.»
«Zeit wofür?»
«Darüber nachzudenken, was als Nächstes zu tun ist.»
«Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Das Band existiert als offizielles Beweisstück, oder es ist nie in unsere Hände geraten. Letzteres scheidet aus. Es gibt einen Zeugen.»
«Diesen Tontechniker?»
«Ja, und außerdem bin ich nicht zu Ihnen gekommen, um darüber nachzudenken, wie wir das Band unterschlagen können, sondern wie am klügsten vorzugehen ist.»
«Klug wäre es gewesen, wenn Sie damit niemals zu mir gekommen wären, oder noch besser, gleich die Finger davon gelassen hätten. Sie sind doch kein Anfänger. Sie wissen doch, wie das Spiel läuft.»
«Welches Spiel?»
Klein schaute ihn lange an.
«Was glauben Sie denn, was passiert, wenn Ute Mayers Partei die Wahlen gewinnt? Was wird dann mit uns geschehen? Haben Sie auch darüber mal nachgedacht?»
Nein, hatte er nicht. Aus Prinzip nicht. Und wenn Ute Mayer dreimal die Wahl gewönne, es interessierte ihn jetzt nicht mehr. Dann sollten sie einen anderen Hanswurst auf seinen Stuhl setzen. Er nahm das Band wieder an sich und verließ das Büro.
«Wo wollen Sie damit hin?», hörte er Klein rufen.
Er setzte sich in einen Dienstwagen und fuhr zum Parteibüro. Im Vergleich zum letzten Mal war es an diesem Tag in den Büroräumen auffällig ruhig und menschenleer. Niemand saß an einem der Computer, diskutierte im Konferenzraum oder beaufsichtigte den nimmermüden Kopierer. Es herrschte eine überraschende Stille.
«Kann ich Ihnen helfen?», fragte eine Stimme.
Kilian drehte sich um und erkannte eine Frau, die er bei Schwerdts Auftritt schon einmal kurz gesehen hatte.
«Ich suche Ute Mayer», antwortete Kilian.
«Sie ist nicht hier.»
«Sieht so aus.» Er blickte sich um. «Und wo sind all die anderen geblieben?»
«Bei einer Veranstaltung in Lohr. Frau Mayer und Frau Wagner sprechen dort. Was kann ich für Sie tun?»
Die Dame klang forsch. Offenbar kam er ungelegen. «Wer sind Sie?»
«Frau Mayers persönliche Assistentin, Hilde Michalik. Und Sie sind Kommissar Kilian, wenn ich mich nicht täusche. Sie waren hier, als Werner Schwerdt einen seiner unrühmlichen Auftritte hatte.»
Kilian nickte. «Ich hoffe, es geht ihm wieder besser.»
Hilde zuckte die Schultern. «Kann sein, ich weiß es nicht.Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er sein Scheitern noch immer im Alkohol ertränkt.»
«Dann scheinen Sie Werner Schwerdt näher zu kennen.»
«Wie kommen Sie darauf?»
«Weil Sie ihn gleich mit Alkohol in Verbindung bringen.»
Hilde seufzte. «Das dürfte nach seinen letzten Fehltritten kaum noch ein Geheimnis sein. Ich habe viele Schwerdts in meiner Laufbahn erlebt. Sie stiegen schnell auf, kamen aber umso schneller wieder zurück auf den Boden. Bei vielen war Alkohol Treibstoff, Problemlöser und Trostspender zugleich. Ein auffälliges Muster. Nichts weiter.»
«Wie lange sind Sie schon in der Politik?»
«Weit über vierzig Jahre.»
«Fällt Ute Mayer auch in diese Kategorie?»
«Gott bewahre, nein. Frau Mayer ist ein ganz anderer Typ.»
«Beschreiben Sie sie mir.»
«Sie ist eine harte Arbeiterin. Sie muss doppelt so viel leisten wie ein Mann, um wahrgenommen zu werden.»
«Klingt nach einem altbekannten Klischee.»
«Es hat sich nichts geändert. Noch immer muss sie sich dafür rechtfertigen, dass sie nicht verheiratet ist, keine Kinder hat, und selbst ihre Frisur ist Thema. Ein Mann muss das
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