Die Seilschaft
aufgehalten haben, um Werner Schwerdt und Petra Bauer bei ihrem Liebesspiel zu belauschen?
«Wenn Sie mich nun entschuldigen», sagte Hilde Michalik, «ich muss an die Arbeit zurück.»
«Noch eine Frage. Kennen Sie den stellvertretenden Parteivorsitzenden Günter Wohlfarth?»
«Er ist mir bekannt.»
«Wie ist das Verhältnis zwischen Ute Mayer und ihm?»
«Freundschaftlich, kollegial.»
Sie lügt, dachte Kilian. Wieso?
«Es gab da mal so eine Geschichte, mit der Günter Wohlfarth in Verbindung gebracht wird. Irgendetwas mit Kindesmissbrauch in seinem Heimatdorf. Wissen Sie Näheres darüber?»
«Ich erinnere mich nur, dass alle Vorwürfe – seien sie nun berechtigt oder nicht – damals fallengelassen wurden.»
«Der Vorwurf des Missbrauchs wurde nie richtig aufgeklärt. Seltsam, finden Sie nicht auch?»
«Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.»
«Woran lag das Ihrer Meinung nach?»
«Kann ich nicht sagen. Das ist zu lange her und hat sich in einem entfernten Wahlkreis abgespielt.»
«Wie ist Ute Mayers Position dazu?»
«Das müssen Sie sie schon selbst fragen.»
Nicht nötig. Er hatte ihre Worte auf Band.
«Aber als ihre persönliche Assistentin kennen Sie bestimmt ihre Einstellung dazu.»
«Ich weiß zwar viel, aber nicht alles. Frau Mayer ist grundsätzlich an der vorbehaltlosen Aufklärung derartiger Vorwürfe interessiert. Da sie sich aber nicht weiter engagiert hat, nehme ich an, dass sie der Sache keine große Bedeutung beigemessen hat.»
«Sie meinen also, Ute Mayer wusste nichts von den neu aufkeimenden Vorwürfen, denen sich Günter Wohlfarth in der letzten Zeit ausgesetzt sah?»
«Meiner Kenntnis nach nicht.»
Das war eine glatte Lüge. Wieso sagte sie die Unwahrheit? Wollte sie ihre Chefin schützen?
«Waren Sie schon mal in der Waldhütte, in der Petra Bauer gefunden wurde?»
«Soweit ich mich erinnere, liegt sie mitten im Gramschatzer Wald, umgeben von dichtem Unterholz.»
«Richtig.»
«Mein letzter Besuch ist lange her. In meinem Alter bricht man sich besser nicht die Beine in entlegenen Waldgebieten.»
28
In den Straßen rund um die Fußgängerzone und das Rathaus in Lohr stauten sich die Fahrzeuge. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein. Kilian musste den Wagen notgedrungen gleich nach der alten Mainbrücke parken.
Ute Mayer und die Lokalmatadorin Sandra Wagner in diesem Chaos zu finden, sollte ihm jedoch nicht schwerfallen. Er folgte einfach den Echos der Redner und dem Applaus der begeisterten Zuhörer. Sie führten ihn in das Herz der Altstadt, wo auf einer Bühne Sandra Wagner sprach. Im Hintergrund stand Ute Mayer, weniger auffällig, aber stets präsent.
Kilian bahnte sich seinen Weg durch die engen Gassen hinüber zum Bus, mit dem die beiden Kandidatinnen das Land offenbar bereisten. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf die Bühne.
Ute Mayer warf ihm einen Blick zu. Kilian bedeutete ihr, dass er sie sprechen wolle, und sie nickte kurz. Allerdings war er nicht der Einzige. Ein Kamerateam bereitete sich auf ein Interview mit den beiden Rednerinnen vor. Es sollte vor dem Bus stattfinden, auf dem das Signet der Partei prangte.
«Würden Sie einen Schritt zur Seite gehen?», forderte ihn eine junge Reporterin auf. «Wir bräuchten den Platz für ein Interview.»
«Sicher», antwortete Kilian und machte dem Kameramann Platz, der einen Scheinwerfer aufstellte. «Es sind überraschend viele Menschen gekommen. Ich wusste gar nicht, dass Ute Mayer in Lohr so beliebt ist.»
«Sie sind vorwiegend wegen Sandra Wagner hier», erwiderte sie. «Sie stammt aus der Gegend.»
«Ein Heimspiel also.»
«Kann man so sagen. Es wurde auch höchste Zeit, dass etwas passiert. Vor ein paar Tagen sah es hier noch ganz anders aus.»
«Wie anders?»
«Die Partei drohte auch noch die letzten treuen Wähler zu verlieren. Erst Sandras Berufung zur Generalsekretärin hat die Stimmung umgekehrt. Nach den letzten Umfragen wird sie die fünfzig Prozent wohl schaffen.»
«Zurück zur alten Stärke.»
«Ja, wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob das so gut ist. Die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei.»
«Dann wird wohl eher Sandra Wagner als die Partei gewählt.»
«Könnte man so sagen.»
Sandra Wagner war am Ende ihrer Rede angekommen. Applaus setzte ein. Die Reporterin machte sich bereit.
«Wenn Sie mich nun entschuldigen? Ich muss mich auf mein Interview konzentrieren.»
Kilian nickte. Er beobachtete Sandra Wagner, wie sie den Applaus der Menge genoss. Sie bat
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