Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
geschickt wurde, mitgeteilt, dass Ihr, Don Raccuglia, so dämlich gewesen seid, Euch eine Anzeige wegen Anstiftung zum Aufruhr einzufangen! Das fängt ja gut an, ein aufrührerischer Priester!»
«Exzellenz, ich würde Euch gerne erklären …», hub Don Raccuglia an.
«Ihr erklärt mir gar nichts, kapiert?»
«Aber …»
«Maul halten, hab ich gesagt! Hier wird geredet, wenn ich es sage! Und damit nicht genug! Der Capitano hat mir auch berichtet, dass ihr alle, außer Don Dalli Cardillo, in euren Kirchen die Gläubigen von der Kanzel gegen Avvocato Teresi aufgehetzt habt! Zum Hass habt ihr die Gläubigen aufgehetzt! Menschenskinder, wisst ihr eigentlich, wo ihr seid? In der Kirche seid ihr, verdammt noch mal! In der Kirche wird die Liebe gepredigt, von der Kirche darf nichts als Liebe ausgehen! Habt ihr Volltrottel denn vergessen, was Jesus sagte? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Das hat Jesus gesagt! Und jetzt sagt er: Avvocato Teresi will also die Familie zerstören? Na und? Was kümmert mich das? Aber ihr, ihr fangt gleich an zu schäumen, weil ihr jung seid, und statt die Liebe zur Familie und den Wert der Ehe zu predigen, predigt ihr Hass gegen den Anwalt? Wollen wir den Avvocato so richtig zur Sau machen? Dann bekämpft ihn doch mit euren Waffen, nicht mit seinen! Also, ihr nehmt euch irgendeinen Sonntag, an dem die Sonne schön scheint, und ernennt ihn zum Tag der Familie! Lasst alle verheirateten Paare mit ihren Kindern in die Kirche kommen. Und dann veranstaltet ihr ein großes Gelage mit allen Schikanen auf dem Kirchplatz! Mit Gesängen und Chören! Alle werden sich freuen und sagen: O wie schön ist die Familie! Wie wunderbar ist das Sakrament der Ehe! Alles schlägt sich ordentlich den Bauch voll, trinkt und lässt sich’s gutgehen, und Avvocato Teresi kann sie mal kreuzweise! Haben wir uns verstanden?»
«Es gibt keine andere Erklärung, Stefano, glaub mir.»
«Aber das ist nicht möglich, Onkel! Eurer Meinung nach ist Paolina, die älteste Tochter von Marchese Cammarata, schwanger wie Antonietta?»
«Jawohl.»
«Und Don Filadelfo dachte, dass der Liebhaber seiner Tochter dieser Junge aus der Familie seiner Frau sein musste, weil er sie oft besuchen kam, darum hat er Carmineddru gerufen und sie haben ihn halbtot geschlagen?»
«Jawohl.»
«Das glaube ich nicht.»
«Hast du eine andere Erklärung für diese Geschichte?»
«Hm, es wäre praktisch eine Kopie von dem, was mir passiert ist, nur dass der Baron mich erschießen wollte.»
«Gut gefolgert.»
«Und was machen wir jetzt?»
«Vorerst gar nichts. Wenn der Junge sich hoffentlich bald erholt und bestätigt, was ich denke, dann sorge ich dafür, dass der Marchese keine ruhige Stunde mehr hat!»
Eine der drei Frauen, an denen der Brigant Salamone sich in der Höhle gütlich getan hatte, war ein hübsches, wohlgestaltetes Mädchen. Fünfundzwanzig war sie und hieß Rosalia Pampina. Das Kind von Bauern war Waise geworden und arbeitete als Hausmädchen bei der Familie des Notars Giallonardo. Da der Notar Mitglied der Gemeinde von Don Filiberto Cusa war, hatte sein Hausmädchen das Vorrecht erhalten, in dieselbe Kirche zu gehen wie ihr Padrone, die Kirche San Cono.
Am Nachmittag desselben Tages, an dem die Carabinieri sie befreit hatten, kehrte sie an ihren Arbeitsplatz beim Notar zurück. Aber sie sagte ihm nichts von dem, was der Brigant ihr angetan hatte, sie erzählte nur, dass sie aus Angst vor der Cholera aufs Land geflohen war. Am Abend jedoch bat sie Signora Romilda Giallonardo um Erlaubnis, in die Kirche gehen zu dürfen, um Gott zu danken, dass er die Gefahr abgewendet hatte. Rosalia war ein überaus frommes Mädchen und eine so eifrige Kirchgängerin, dass Signora Romilda ihr schon oft empfohlen hatte, Nonne zu werden.
Zweimal am Tag betete sie den ganzen Rosenkranz, morgens nach dem Aufwachen und abends, wenn sie ins Bett ging, nie versäumte sie die Frühmesse, und oft behielt Padre Cusa, der ihre inbrünstige Frömmigkeit bemerkt hatte, sie bei sich in der Sakristei, um ihr den Katechismus zu erklären. Darum zögerte Signora Romilda nicht, dem Mädchen die Bitte zu gewähren.
«Ich möchte beichten!», sagte Rosalia zu Don Filiberto, der gerade die Kirchentür schloss.
«Es ist spät. Komm morgen früh wieder.»
«Nein. Vossia, Ihr müsst mir jetzt sofort die Beichte abnehmen.»
Der Pfarrer musterte sie und sah, dass sie weinte.
«Na gut», sagte er und ging zum Beichtstuhl.
Er setzte sich hinein, schlug ein
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