Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
darauf an, dass die Revolution ausbrach?
«In Ha…Handschellen?»
«Aber nein. Dazu gibt es keine Veranlassung. Seien Sie unbesorgt, er wird mit allem Respekt behandelt. Die beiden Carabinieri werden von Tenente Villasevaglios begleitet.»
«Apropos Respekt …»
«Sprechen Sie.»
«Der Amtsarzt, Dottor Bellanca, hat mir gestern Abend gesagt, er könne erklären, wie es bei Don Anselmo zu dem Missverständnis kam. Darf ich ihn rufen lassen?»
«Selbstverständlich», antwortete der Capitano und erhob sich. «Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss Sie verlassen. Es gibt einige Dinge zu erledigen. Ich werde mit Seiner Exzellenz, dem Präfekten, telefonieren. Und da ich schon einmal dabei bin, werde ich auch Seine Exzellenz, den Bischof, anrufen.»
War dieser Mensch komplett verrückt geworden? Den Bischof? Er wollte den Bischof behelligen? Warum bloß? Wäre es nicht fast besser gewesen, die Cholera wäre gekommen statt dieses Vollidioten von einem Capitano?
«Entschuldigung, aber warum den Bischof?»
«Nun, es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, aber ich halte es für eine Geste der Höflichkeit, ihn davon zu benachrichtigen, dass ich Anklage gegen einen seiner Pfarrer erheben werde. Wir sehen uns um elf Uhr wieder.»
«Brich dir das Genick», wünschte der Bürgermeister ihm im Geiste.
Seine Exzellenz Hochwürden Monsignore Egilberto Martire legte den Telefonhörer zurück auf die Gabel und nahm den auf dem Tischchen liegenden Ordner zur Hand. Er schlug ihn auf, blätterte, zog ein Papier heraus und klingelte dann mit dem Glöckchen, das immer in seiner Reichweite stand.
«Zu Befehl, Exzellenz», sagte sein Sekretär, Don Marcantonio Panza.
«Don Marcantonio, auf diesem Blatt stehen die Namen der Pfarrer der acht Kirchen von Palizzolo. Dort habe ich noch keinen Pastoralbesuch gemacht, daher kenne ich sie nicht. Ich will sie alle miteinander hier in der Bischofsresidenz haben, morgen Nachmittag um vier Uhr. Abwesenheiten dulde ich nicht.»
«Zu Befehl.»
Der Dienst bei Seiner Exzellenz Egilberto Martire war schlimmer als der beim Militär. Äußerlich wirkte er eher wie ein Oberfeldwebel als wie ein Bischof. Fett war er, untersetzt, und sein rotes Gesicht lief sofort violett an, wenn er nervös wurde. In den sechs Monaten, seit er in Camporeale angekommen war, hatte er im Bischofssitz eine geradezu militärische Disziplin eingeführt. Und das Schlimmste war, dass er, weil er Römer war, von Zeit zu Zeit in einen derben Kasernenhofton verfiel.
«Diese Arschlöcher!», hörte Don Marcantonio hinter seinem Rücken, als er das Zimmer verließ.
Don Anselmo Buttafava kam nicht um elf Uhr im Rathaus an, aus dem einfachen Grund, weil die beiden Carabinieri und der Tenente Villasevaglios aufgehalten wurden, bevor sie das Landgut La Forcaiola erreichten. Also erfuhr Don Anselmo an diesem Tag nicht, dass er vor Capitano Montagnet erscheinen musste, um sich gegen die Anklage auf Störung der öffentlichen Ordnung zu verteidigen.
Genau an der Stelle, wo der Weg zur Forcaiola sich gabelte und ein kleinerer Pfad abzweigte, der zur Contrada Galluzzo führte, stand ein kolossaler Olivenbaum. In seinen Ästen aber hockte ein Brigant aus der Bande von Salamone. Er hieß Savaturi ’u pecuru, weil ihm am ganzen Körper Haare wucherten wie ein Schafspelz, und er war als Wachtposten abkommandiert. Als er die drei Soldaten herankommen sah, schlug er Alarm mit einem Pfiff aus der Schäferpfeife.
Der Brigant Salamone hatte in der vergangenen Nacht drei Weiber erbeutet, die aus Palizzolo geflohen waren, und erfreute sich gerade an ihnen in einer Höhle, vor der zwei zuverlässige Kumpane Wache standen, Arelio, der Hase, und Pancrazio, die Schlange.
Der Rest der Räuberbande war schon in den ein paar Kilometer entfernten Wald von Arbanazzo weitergezogen.
Als Arelio und Pancrazio den Pfiff hörten, liefen sie zu dem großen Olivenbaum und legten sich auf die Lauer. Kaum waren die Carabinieri in Schussweite, fingen die Räuber an zu schießen. Die drei Soldaten stiegen vom Pferd, gingen hinter einem Baum in Deckung und erwiderten das Feuer. Nach fünf Minuten Schusswechsel machte der Tenente den beiden Carabinieri ein Zeichen, kroch durch das hohe Gras bis zu dem Olivenbaum, aus dessen Geäst Savaturi ’u pecuru Schüsse abgab, legte in aller Ruhe auf ihn an und erledigte ihn mit dem ersten Schuss.
Der tote Savaturi fiel Pancrazio direkt auf den Kopf, worauf dieser sich instinktiv erhob, um einen Augenblick später
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