Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
Amtsmissbrauchs.»
«Diese Beschuldigung hängt ein wenig in der Luft.»
«Ach ja? Aber seine Anschuldigung gegen mich war felsenfest begründet?»
«Hören Sie, können wir morgen um neun Uhr darüber sprechen? Wenn Sie wollen, komme ich zu Ihnen.»
«Ich erwarte Sie. Darf ich Sie noch etwas fragen?»
«Ich bin etwas in Eile, Don Anselmo. Fragen Sie.»
«Kann ein achtzigjähriger Mann Ihrer Meinung nach ein junges Mädchen schwängern?»
Zum zweiten Mal innerhalb von zehn Minuten erstarrte der Anwalt zur Salzsäule.
«Warum fragen Sie mich das?»
«Weil Totina, die Tochter meines Feldhüters ’Ngilino, seit zwei Monaten schwanger ist und behauptet, es war der Heilige Geist. Aber ich glaube, es war ihr Onkel, der allerdings achtzig Jahre alt ist. Er muss sie missbraucht haben, als sie nach der heiligen Messe zu ihm ging.»
Der Anwalt hörte schon fast nicht mehr zu. Er fragte sich, ob Totina in der Liste der vier schwangeren Frauen enthalten oder ob sie die fünfte war.
ACHTES KAPITEL
Avvocato Teresi zieht erste Schlüsse
Signora Albasia Chiarapane fuhr zurück nach Salsetto, als es schon dunkelte, und kündigte an, dass sie am Nachmittag des nächsten Tages wiederkommen werde. Nachdem er gegessen hatte, was die Zugehfrau für ihn gekocht hatte, und auch Luigino zum Essen gebracht hatte, bat Teresi seinen Neffen, nicht gleich hinaufzugehen, um mit dem Jungen zu plaudern, sondern erst in sein Büro kommen.
«Ich möchte dich etwas fragen.»
«Fragt, Onkel.»
«Es betrifft Antonietta Lo Mascolo.»
«Was ich über sie weiß, habe ich Euch schon gesagt. Wenn Ihr noch einmal darüber sprechen wollt, bitte sehr.»
«Stefano, ich habe lange über diese Geschichte nachgedacht. Du hast behauptet und behauptest weiterhin, dass Antonietta sich nie und nimmer von einem Unbekannten, den sie tags zuvor kennengelernt hat, die Unterhosen ausziehen lassen würde, ist das richtig?»
«Richtig. Und nicht mal von einem, den sie seit drei Jahren kennt, würde sie sich die Unterhosen ausziehen lassen.»
«Ich würde gerne wissen, worauf du diese Gewissheit stützt.»
«Darauf, wie sie sich benahm, Onkel. Wie sie sprach. Und was sie sagte, war kein leeres Gerede. Sie war in tiefster Seele überzeugt von dem, was sie tat und sagte. Einmal habe ich mit ihr darüber gesprochen, wie es wäre, wenn sie heiraten würde. Sie hatte eine ganz genaue Vorstellung von dem Mann, den sie auswählen würde: Er musste ein ernsthafter, aufrichtiger Mensch sein. So wie sie. Es war ihr egal, ob er reich war oder arm. Es war im vergangenen Jahr, da verkündete ihr der Baron, dass Arrigo, der Sohn von Barone Piscopo, Interesse bekundet hatte. Sie erwiderte, darüber müsse kein Wort verloren werden, denn sie habe Arrigo einmal gesehen, und das habe ihr gereicht.»
«Darum schließt du einen heimlichen Verlobten aus?»
«Absolut. Und ich sage Euch, selbst wenn sie einen hätte, würde sie erst nach der Hochzeit mit ihm ins Bett gehen. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.»
«Also hatte der Baron recht mit dem, was er über dich sagte?»
«Was meint Ihr?»
«Du seist der einzige Mann, den seine Tochter sah, mit dem sie vertrauten Umgang hatte, und darum …»
«So gesehen hatte er recht, ja. Aber ich habe Antonietta nie angerührt.»
«Jemand hat sie aber angerührt. Und ob …»
«Aber, Onkel, wo soll das denn passiert sein? Wie konnte er sie überreden? Wie fand er die Zeit, mit ihr zusammen zu sein?»
«Du hast mir gesagt, dass Antonietta nichts anderes kannte als Familie und Kirche, richtig?»
«Richtig.»
«Was hat Luigino uns von Paolina erzählt? Hat er sie nicht mit denselben Worten beschrieben wie du Antonietta? Gleichen die beiden Mädchen sich nicht wie ein Ei dem anderen?»
«Sie gleichen einander aufs Haar.»
«Und jetzt erzähle ich dir die Geschichte von einem dritten Mädchen. Ich habe sie erfahren, bevor ich nach Hause kam. Sie heißt Totina und ist die Tochter des Feldhüters von Don Anselmo Buttafava. Auch sie ist seit zwei Monaten schwanger und sagt, der Heilige Geist sei der Vater.»
«Was erzählst du da?», rief Stefano schockiert aus.
«Tatsachen.»
«Die Tochter eines Feldhüters!»
«Wie du siehst, sind dem Schwengel Klassenunterschiede egal. Kehren wir zu Totina zurück. Ihre Mutter lässt sie nicht einen Moment allein, wenn sie sonntags nach Palizzolo kommen, um in die Kirche zu gehen. Nur in den Beichtstuhl darf sie allein. Kurz, auch sie kennt nur Familie und Kirche.»
«Das hilft uns
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