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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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offenbar nicht weiter.»
    «Es hilft uns weiter, Stefano, und ob!»
    «Wie denn?»
    «Überleg mal. Wenn du die Möglichkeit ausschließt, dass diese Mädchen das Schlamassel zu Hause angerichtet haben, was bleibt?»
    «Die Kirche.»
    «Da wollte ich dich haben!»
    «Aber, Onkel, was sind das für Ideen? So etwas kann unmöglich in einer Kirche passieren!»
    «Möglich ist es durchaus. Bist du zum Beispiel jemals an Silvester in der Mitternachtsmesse gewesen? Eine Menschenmenge, so dicht gedrängt, da passt nicht mal eine Flunder dazwischen! Ein Freund von mir, Gegè Pirrotta, hat seine Verlobte bei der Gelegenheit zum ersten Mal gevögelt! Während der Messe, in der Kirche!»
    «Onkel, mir scheint, Ihr lasst Euch von Eurer Phantasie hinreißen. Hier geht es um drei Mädchen, die …»
    «Vier.»
    «Wieso vier?», fragte Stefano verblüfft.
    «Es sind vier, und alle seit zwei Monaten. Das hat mir Montagnet gesagt.»
    «Und wer ist die vierte?»
    «Den Namen hat er nicht genannt.»
    «Nun gut, aber könnt Ihr Euch wirklich vorstellen, dass sich vier Mädchen in vier verschiedenen Kirchen am selben Festtag die Röcke heben lassen, ganz ohne sich zu wehren? Im Fall von Eurem Freund war das anders, er und seine Frau waren verlobt. Aber ich kann Euch versichern, dass Antonietta keinen heimlichen Verlobten hatte. Und Paolina auch nicht, glaube ich.»
    «Soviel du weißt.»
    «Soviel ich weiß, ja, natürlich!»
    «Und wenn es nur ein einziger Mann war?»
    «Meine Güte, Onkel! Jetzt wollt Ihr mir auch noch die Vorstellung von einem wandernden Schwanz zumuten, der von einer Kirche zur anderen geht?! Einer oder vier, die Mädchen hätten auf jeden Fall protestiert!»
    «Vielleicht sind sie aus Scham stumm geblieben.»
    «Wie ich Antonietta kenne, hätte sie so laut geschrien, dass man sie bis nach Palermo gehört hätte.»
    «Also gut, versuchen wir eine andere Hypothese. Ich gehe nicht in die Kirche und du auch nicht. Aber als neulich die Prozession vorbeikam, habe ich gesehen, dass nicht nur alte Weiber, junge Mädchen und alte Männer zu San Cono gehören, sondern auch Männer um die vierzig und Zwanzigjährige. Einige trugen eine Kokarde im Knopfloch.»
    «Das ist das Zeichen der Kongregation von San Cono.»
    «Und die Kapuzenmänner vom Karfreitag?»
    «Die gehören zur Kongregation des Kreuzweges.»
    «Verstehst du, was ich dir sagen will? Es gibt keine Kirche, die nicht ihre Kongregation hätte. Sie besteht aus mehr oder weniger jungen Männern, die in die Kirchen gehen. Diese Männer sind wahrscheinlich genauso fromm wie Antonietta, Paolina und Totina. Sie haben also gemeinsame spirituelle Interessen. Könnte ihr heimlicher Verlobter nicht einer von diesen Männern sein?»
    «Ich habe Euch doch schon gesagt, Onkel, dass Antonietta vor der Hochzeit niemals …»
    «Wer sagt dir denn, dass sie nicht schon verheiratet sind?», fragte Teresi mit maliziös funkelnden Augen.
    «Verheiratet? Ohne dass irgendjemand davon erfahren hat?»
    «Das brauchte niemand zu erfahren! Sie haben heimlich vor Gott geheiratet! In ihrer Seele, ihrem Gewissen haben sie geheiratet! Also konnte Antonietta sehr gut mit dem Mann schlafen, der für sie bereits ihr rechtmäßiger Bräutigam war!»
    «Und wo soll die Hochzeitsnacht Eurer Meinung nach stattgefunden haben? Auf dem Hochaltar?»
    Der Anwalt antwortete nicht.
    «Ich bin ein bisschen müde», sagte Stefano und erhob sich. «Jetzt gehe ich noch eine Weile mit Luigino plaudern, und dann lege ich mich hin. Gute Nacht.»
    Doch der Anwalt hatte keine gute Nacht. Drei Viertel davon verbrachte er in seinem Arbeitszimmer, wo er grübelte und sich Notizen machte.
    Der Beamte des Einwohnermeldeamtes von Palizzolo, Cosimo Spartipane, öffnete das Büro wie immer, außer an Feiertagen, pünktlich auf die Minute um acht Uhr morgens. Er trat ein, nahm seinen Hut ab, bückte sich, um die letzte Schublade des Schreibtisches zu öffnen, wo er Feder und Tintenfass verwahrte, und als er sich wieder aufrichtete, sah er Capitano Montagnet vor sich. Sofort begann sein Herz zu rasen. Erstens weil er beim Anblick eines Carabiniere jedes Mal erschrak, obwohl er ein überaus rechtschaffener Mann war. Zweitens weil er ihn nicht hatte kommen hören.
    «Guten Morgen», sagte der Capitano.
    «Guten Morgen. Benötigen Sie etwas?»
    «Ja. Zwei Bescheinigungen über den Familienstand.»
    «Von wem?»
    «Von Barone Alfonso Lo Mascolo und von Marchese Filadelfo Cammarata.»
    «Ich weiß nicht, ob die Vorschrift das

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