Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
und setzte sich neben ihn.
«Wie geht es Euch, mein Teuerster, wie geht es Euch? Ziemlich schlecht, nicht wahr? Meine Wunden sind noch nicht verheilt, auch die Euren nicht, nehme ich an! Immerhin können wir sagen, dass wir mit Gottes Hilfe diese grässliche Prüfung überstanden haben, die der Herr uns auferlegen wollte!»
Don Mariano dachte, wenn Seine Exzellenz auf Italienisch mit ihm sprach statt in römischem Dialekt, dann musste das wohl ein Zeichen sein, dass er nicht böse auf ihn war.
«Und jetzt zu uns. Ich habe Euch persönlich sprechen wollen, mein Teuerster, um Euch zu danken!»
«Wofür, Eccellenza?»
«Wofür?! Wieso wofür? Ihr habt mit Eurer Gegenwart, mit Eurem tagtäglichen Dienst bewiesen, dass nicht alle Priester von Palizzolo von dem Schlage sind wie diese sieben verruchten Gesellen, die ihres Amtes als Seelenhirten unwürdig waren!»
«Aber, Eccellenza, ich …»
«O nein, das müsst Ihr Euch jetzt anhören! Ihr seid wie ein heller Leuchtturm gewesen, während alles ringsumher von finsteren Schatten bedeckt wurde!»
«Eccellenza, das ist nicht mein Verdienst! Ich habe nur weiter das getan, was ich immer getan habe, die Beichte abgenommen, getröstet …»
«… Rat gegeben …»
«Bei Gelegenheit auch das.»
«Ach ja, da fällt es mir wieder ein. Apropos Ratschläge. Entsinnt Ihr Euch der Worte Jesu: ‹Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist›?»
«Natürlich erinnere ich mich daran!»
«Habt Ihr sie immer beherzigt?»
«Aber sicher doch!»
«Und wie kommt es dann, dass Ihr jener Witwe, die zu Euch kam, um zu beichten und um Euren väterlichen Rat zu bitten, gestattet habt, dem Kaiser zu geben, was stattdessen Gott gegeben werden musste?»
Padre Mariano starrte ihn entgeistert an.
«Eccellenza, ich verstehe nicht, was …»
«Ich drücke mich deutlicher aus. Wenn ich nicht irre, habt Ihr, als diese unglückliche Frau, die Witwe, Euch während der Beichte, wäh-rend-der-Beich-te wohlgemerkt!, die Schandtaten Eurer Mitbrüder enthüllt hat, zugelassen, erlaubt, gestattet, sucht Euch etwas aus, dass sie schnurstracks zu den Königlichen Carabinieri lief, um die Priester anzuzeigen und das auszulösen, was dann passiert ist.»
«Ja, was hätte ich denn tun sollen?»
«Himmelherrgott, mein Söhnchen, es handelte sich um Geistliche! Um geweihte Priester! Um Gesalbte des Herrn! Um Gottesmänner! Um Priester, die zwar gefehlt hatten, da bin ich vollkommen einverstanden, die aber doch immerhin Priester waren! In aeternum! Ihr hättet Gott geben müssen, was Gottes ist, Ihr hättet dieser Frau sagen müssen, sie soll mich aufsuchen, um mich darüber in Kenntnis zu setzen, dass einige Soldaten des Herrn den Talar befleckten! Don Mariano, Ihr habt vergessen, dass sie geistliche Gewänder trugen, keine Uniformen des, was weiß ich, des Königlichen Heeres oder der Carabinieri! Ich hätte schon dafür gesorgt, diese Schurken unschädlich zu machen, aber natürlich mit der gebotenen Diskretion, mit der nötigen Vorsicht, mit der Zeit, ohne einen Skandal zu provozieren … Denn, sagen wir es rundheraus, der Skandal, den Ihr unvorsichtigerweise hervorgerufen habt, droht die Grundfesten der Kirche zu erschüttern!»
«Eccellenza, ich bitte um Vergebung, ich flehe Sie an, ich beschwöre Sie, bitte vergeben Sie mir! Ich war so erschüttert von dieser Enthüllung, dass ich keinen Augenblick lang daran gedacht habe …»
«Ich mache Euch doch keinen Vorwurf. Ich verstehe Euch, ich verstehe Euch sehr gut!»
«Und noch immer kann ich nicht einschlafen, glauben Sie mir! Seit diese arme Frau mir das alles erzählt hat, verbringe ich meine Nächte wachend, im Gebet!»
«In der Tat, als ich Euch hereinkommen sah, habe ich einen Schreck bekommen, Ihr macht den Eindruck, als wäret Ihr ernsthaft erkrankt.»
«Nein, Eccellenza, ich bin nicht krank, es ist nur so, dass diese Geschichte …»
«Aber nein, so könnt Ihr nicht weitermachen! Seit einer Woche keinen Schlaf! Ihr seid am Ende, mein Lieber! Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden! Hört mal, Don Mariano, wollen wir jetzt das tun, was in dieser Situation das Allerbeste ist?»
«Was denn?»
«Wollen wir uns eine schöne, so richtig lange Zeit zum Ausruhen nehmen? Sagt nicht Nein, Ihr braucht wirklich Erholung. So machen wir’s: in zwei, drei Tagen schicke ich einen Priester, der Euch ersetzt. Was meint Ihr?»
«Der Wille des Herrn geschehe.»
«Bravo, ja, das ist unser guter Don Mariano! Kommt her, lasst Euch
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