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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Mikrofon und bekam aus dem Lautsprecher etwas zurückgebrabbelt. Dann sagte er: »Pierre sagt, sie hat keine Ahnung, was Armand vorhaben könnte. Sie weiß, dass er vorhatte, von Dresden aus über die Grenze nach Polen zu fliehen. Pour le moment vermutet sie ihn im Kaufhaus, weil sie ihn in dem Eingang an der Ecke gesehen zu haben glaubt.« Die helle Kinderstimme Pierres brabbelte etwas hinterher. »Und sie hofft sehr, dass er entkommen wird.« Eine Gänsehaut kroch mir prickelnd den Rücken hoch, als ich das hörte. Bisher hatte ich nur gesagt be kommen, Pierre könne Gedanken lesen. Dies war das erste Mal, dass ich es tatsächlich hautnah miterlebte. Und ich hatte nichts gespürt, gar nichts! Keine schleimigen Finger, die mir durchs Gehirn tasteten; nichts dergleichen. Meine Güte, wie musste es in einem Menschen aussehen, für den die Gedanken aller Leute um ihn herum offen lagen wie aufgeschlagene Bücher? »So?«, knirschte der haarige Kerl und warf mir einen giftigen Blick zu. »Hofft sie das?« Übrigens wuchsen ihm die Haare auch büschelweise aus den Nasenlöchern. Ich warf ihm einen giftigen Blick zurück. Im Giftige-Blicke-Werfen bin ich große Klasse. »Das geschieht Ihnen grade recht«, hörte ich mich die beiden Männer anfauchen. »Sie haben gedacht, wenn Sie seine Telekinese ausschalten, dann haben Sie auch Armand ausgeschaltet. Sie haben völlig vergessen, dass er auch rennen und sich verstecken und so weiter kann, weil Sie noch nie auf den Gedanken gekommen sind, dass er nebenbei ein Mensch wie jeder andere ist.« Der Hagere wollte etwas erwidern, doch in dem Moment, in dem er dazu ansetzte, erklangen nicht allzu weit entfernt plötzlich die Sirenen von Polizeiautos. Er unterbrach sich, knurrte Befehle in sein Mikrofon und bedeutete seinen Leuten mit ausholenden, hastigen Bewegungen, zu den Fahrzeugen zurückzukehren. Dann gab er meinen Bewachern einen Wink.
    »Wir fahren«, sagte er. »Steigen Sie ein. Immédiatement.«
    Sie verfrachteten mich also zurück in den Wagen. Ich sah, wie ein Stück weiter vorne einige Männer aus seiner Truppe die Autos, die den Konvoi behinderten, an den Fahrbahnrand dirigierten, und zu meiner Verblüffung gehorchten deren Fahrer widerspruchslos, fuhren teilweise bis auf den Gehsteig, um uns Platz zu machen. Gleich darauf brausten wir davon.

Kapitel 19 |
    Keine anderthalb Stunden und eine auffallend flüchtige Grenzkontrolle später saß ich in der menschenleeren Schankstube einer tschechischen Wirtschaft kurz hinter der Grenze, ein Glas Cola vor mir und die Aussicht auf ein gutes Mittagessen, und es hätte ein prächtiger Moment sein können, wäre mir nicht der untersetzte Mann mit den Haaren in der Nase gegenübergesessen. »Ihnen scheint nicht klar zu sein, wie gefährlich Armand ist«, befand er. Ich musterte ihn abschätzig. »Armand ist überhaupt nicht gefährlich. Er will nur seine Freiheit, um sein eigenes Leben leben zu können.« Der Mann hob eine Augenbraue. »Hat er Ihnen das erzählt? Dass man ihn im Institut einsperrt und quält?« »Allerdings. Und ich kann ihn gut verstehen.« »So?« Mit einer ruckartigen Bewegung, aus der Ärger sprach, lehnte er sich nach vorn. »Da hat er Ihnen ganz schön was vorgemacht. Ich sage Ihnen eines, und ich kenne ihn schon wesentlich länger als Sie: Armand ist nichts weiter als ein verwöhntes, launisches Bürschchen. Er kostet den Staat jedes Jahr Millionen, lebt wie ein Fürst im Märchen und jammert jedem die Ohren voll über sein hartes Schicksal. Als er zu uns gekommen ist, hielt er sich für den Stellvertreter Gottes auf Erden, und was ein eigenes Leben anbelangt – er wäre überhaupt nicht im Stande, eines zu führen.« »Warum sperren Sie ihn dann ein, anstatt es ihn lernen zu lassen?« »Nette Idee, wenn Armand nicht gefährlicher wäre als eine wandelnde Atombombe. Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass er einer feindlichen Macht in die Hände fällt. Um jeden Preis.« »Er ist ein Mensch«, beharrte ich. »Er hat das Recht auf sein eigenes Leben.« »Manchmal gilt kein Recht mehr. Armand ist nun mal mit dieser Gabe auf die Welt gekommen und zufällig bestimmt sie sein Schicksal. Und unseres. Er hat keine Wahl, und wir auch nicht.« Ich lehnte mich zurück. »Wer sind Sie überhaupt? Sie sind kein Franzose.« Er strich sich über die schwarzen, strubbeligen Haare. »Gut beobachtet. Mein Name ist Färber. Ich, ähm . . . b etreue die französischen Kollegen.« »Mit anderen Worten, Sie sind vom

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