Die seltsame Welt des Mr. Jones
fortgekarrt gesehen, wäre sie im Vorteil gewesen?
Jemand mußte ihn lehren, seine Begabung zu nützen.
Diese Person war ein dicker, schwitzender Handelsvertreter in einem rosagestreiften Hemd und einer zitronengelben Dacronho se. Er fuhr einen alten Buick. Auf dem Rücksitz waren schmale, braune Schachteln gestapelt. Jones schlich völlig erschöpft auf dem staubigen Straßenbankett dahin, als der Buick plötzlich neben ihm hielt. Da er den Wagen vor einem Jahr schon bestiegen hatte, schaute er kaum auf. Er riß seinen Packsack herum und stieg ein.
»Du scheinst nicht sehr dankbar zu sein«, murrte Hyndshaw grollend, als er Gas gab. »Willst du wieder aussteigen?«
Jones lehnte sich zurück und ruhte sich aus. Für ihn war das Kommende sichtbar. Hyndshaw würde ihn nicht hinauswerfen. Hyndshaw würde reden; er redete gern. Bei dieser Unterhaltung würde sich für den Jungen etwas sehr Wichtiges ergeben.
»Wohin willst du?« fragte Hyndshaw neugierig. Aus seinem Mund ragte ein feuchter Zigarrenstummel. Seine Finger streichelten das Lenkrad. Seine Augen, die tief im Fett lagen, verrieten Weltklugheit. Auf seiner Hemdbrust zeigten sich Bierflecken. Er war ein schlampiges, legeres, lasterhaftes Wesen, das nach Schweiß und jahrelangem Streunen roch. Und er war ein großer, verträumter Schwindler.
»Nirgends«, antwortete Jones mit seiner gewohnten mürrischen Gleichgültigkeit. Er war der Frage seit zwölf Monaten müde.
»Natürlich willst du irgendwohin«, sagte Hyndshaw.
Dann geschah es. Worte, Handlungen, die am Rand der sich bewegenden Welle vorkamen, waren für immer fixiert. Vor einem Jahr hatte der erschöpfte Junge eine brüske, unüberlegte Bemerkung von sich gegeben. Solange hatte er Zeit gehabt, die Ernte einzubringen.
»Sagen Sie mir nicht, wohin ich fahre«, fuhr er ihn an. »Ich kann es sehen; ich sehe auch, wohin Sie fahren.«
»Wohin ich fahre?« gab Hyndshaw gereizt zurück. Er war unterwegs zu einem Bordell, und das Gebiet stand noch immer unter Militärverwaltung.
Jones sagte es ihm.
»Woher weißt du das?« fragte Hyndshaw heiser und unterbrach Jones’ ins einzelne gehenden Bericht über seine bevorstehenden Unternehmungen. »Du gottverdammter Bengel…« Leichenblaß und verängstigt schrie er: »Was bist du eigentlich, ein gottverdammter Gedankenleser?«
»Nein«, sagte Jones. »Aber ich komme mit. Ich begleite Sie.«
Das ernüchterte Hyndshaw noch mehr. Einige Zeit sagte er nichts; entnervt umklammerte er das Lenkrad und starrte finster auf die löchrige, verfallende Straße. Hier und dort sah man auf beiden Seiten Ruinen. Dieses Gebiet um St. Louis war nach einem erfolgreichen Regen von sowjetischen Bakterienkörnern zwangsweise evakuiert worden. Die Bewohner befanden sich immer noch in Zwangsarbeitslagern und bauten wichtigere Gebiete mit auf; an erster Stelle standen die industrielle und landwirtschaftliche Produktion. Hyndshaw hatte Angst, aber gleichzeitig wuchsen sein Interesse und die naturgegebene Habgier. Er war der geborene Opportunist. Nur der Himmel wußte, über was er da gestolpert war. Er beschloß, vorsichtig zu sein.
»Weißt du, was ich da hinten habe?« fragte er mit einem Wink auf die schmalen Schachteln. »Dreimal darfst du raten.«
Der Begriff ›Raten‹ war Jones fremd.
»Magnetgürtel«, erwiderte er. »Fünfzig Dollar Einzelpreis, vierzig Dollar ab zehn Stück. Garantierte Abwehr giftiger Strahlung und gefährlicher Bakteriengifte.«
Hyndshaw leckte sich nervös die Lippen und fragte: »Hab’ ich schon mit dir gesprochen? Vielleicht in der Gegend von Chicago?«
»Sie wollen versuchen, mir einen zu verkaufen. Wenn wir wegen des Wassers halten.«
Hyndshaw hatte nicht vorgehabt, wegen Wasser zu halten. Er mußte sich sowieso schon beeilen.
»Wasser?« murmelte er. »Warum Wasser? Wer hat Durst?«
»Der Kühler hat ein Loch.« »Woher weißt du das?«
»In fünfzehn Minuten…« Jones überlegte; er hatte die genaue Zeitspanne vergessen. »In etwa einer halben Stunde leuchtet der Kühlwasseranzeiger auf, und Sie müssen halten. Sie finden Wasser in einem verlassenen Brunnen.«
»Das weißt du alles?«
»Natürlich weiß ich das alles.« Gereizt riß Jones einen losen Streifen aus der zerfetzten Polsterung. »Würde ich es sonst sagen?«
Hyndshaw sagte nichts. Er fuhr stumm weiter, bis nach etwa zwanzig Minuten die Kühlwasseranzeige aufleuchtete. Er brachte den Buick am Straßenrand zum Stehen.
Das einzige
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