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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zurückgelassen. Das mit dem Hotel war Theater. Sie hatten sich beide darauf geeinigt, daß es besser war, wenn er nicht in ihre neue Wohnung kam.
    »Und Jack?« fragte Tyler. Sie fröstelte. »Was wird aus ihm?«
     »Jack ist in ein staatliches Kinderheim gebracht worden. Gesetzlich bleibt er zwar unser Sohn, aber praktisch haben wir keine Verfügungsgewalt über ihn. Wir können ihn sehen, sooft wir wollen, aber wir tragen keine Verantwortung für ihn.«
     »Können Sie ihn je wieder herausholen? Ich kenne mich da nicht aus.«
     »Wir können ihn nur mit einem gemeinsam gestellten Antrag herausholen.« Er fügte hinzu: »Mit anderen Worten, durch Wiederverheiratung.«
    »Und jetzt sind Sie allein«, sagte Tyler.
    »Richtig. Jetzt bin ich allein.«
     Nachdem er sich von Tyler verabschiedet hatte, holte er seinen Wagen vom Polizeiparkplatz und fuhr durch die Stadt zur Wohnung. Er fuhr an scheinbar endlosen Haufen von JonesAnhängern vorbei – Jones’ Jungs, wie man sie jetzt nannte. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit ging die Organisation auf die Straße, um ihre wachsende Stärke zu zeigen. Demonstranten mit Schildern eilten durch das Zwielicht, Horden gleich gekleideter Gestalten mit verzückten Gesichtern.
     Schluß mit der tyrannischen Herrschaft des fremdartigen Relativismus!
    Befreit die Gehirne der Menschen!
     An seinem Wagen glitt eine andere Version vorbei: Löst die terroristische und geheime Gedankenpolizei auf! Schluß mit den Arbeitslagern! Freiheit und Gleichheit!
    Einfachere Schlagworte… und das wirksamste:
    Auf zu den Sternen
     Die leuchtenden Banner glitzerten überall; er spürte wider Willen eine innere Erregung. Das Ganze war aufregend, ein wildes, festliches Gefühl des Sinnvollen lag in dem Gedanken, aus dem System auszubrechen, die Sterne, die anderen Sonnensysteme, die zahllosen anderen Sonnen zu erreichen. Er stand nicht abseits – er wollte das auch.
    Utopia. Das Goldene Zeitalter. Auf der Erde hatten sie es nicht gefunden; der letzte Krieg hatte ihnen gezeigt, daß es niemals kommen würde. Von der Erde hatten sie sich den anderen Planeten zugewandt, sie hatten romantische Fiktionen aufgebaut und einander hübsche Lügen erzählt. Die anderen Planeten, so sagten sie, waren grüne, fruchtbare Welten mit wasserreichen Tälern und dichtbewaldeten Hügeln, das Paradies – die uralte, ewige Hoffnung. Aber die anderen Planeten waren Alpträume – aus gefrorenem Methangas und nacktem Gestein, kein Leben und kein Laut, nur der Tod, der von Gestein, von Gas und leerer Dunkelheit herkam.
     Die Anhänger von Jones hatten aber nicht aufgegeben; sie hatten einen Traum, eine Vision. Sie waren überzeugt davon, daß es die zweite Erde gab. Irgendwie war es jemandem gelungen, sie ihnen vorzuenthalten; eine Verschwörung war im Gange. Die Bureg auf der Erde, der Relativismus erstickte sie. Jenseits der Erde waren es die ›Drifter‹. Sobald die Regierung verschwunden war, sobald man die ›Drifter‹ vernichtet hatte… die alte Geschichte. Saftige Weiden hinter dem nächsten Berg.
     Trotzdem empfand Cussick für die träumenden, stürmenden Gestalten keine Verachtung, sondern Bewunderung. Sie waren Idealisten. Er dagegen war nur Realist. Er schämte sich.
     An jeder Straßenecke stand ein hell beleuchteter Tisch mit Projektionsgerät. An jedem Tisch saß ein Mitarbeiter der Organisation und sammelte Unterschriften. Die Menschen standen Schlange.
     Weltweites Referendum verlangt Rücktritt der Weltregierung. Jones muß, um die gegenwärtige Krise meistern zu können, zum Oberbefehlshaber ernannt werden.
     Das war der erschreckende Anblick: die Reihen erschöpfter Menschen, die von der Arbeit eines langen Tages verbraucht waren, die bereit waren, sich geduldig anzustellen. Nicht die begeisterten Gesichter der fanatischen Anhänger erschütterten ihn, sondern diese einfachen, normalen Bürger, die ihre legale Regierung beseitigen, einen Staat mit Recht und Ordnung abschaffen und statt dessen eine Autorität absoluten Willens schaffen, sich der beliebigen Laune einer einzelnen Person unterwerfen wollten.
     Als Cussick die Stufen zu seiner Wohnung hinaufstieg, hörte er ein schwaches, schrilles Pfeifen. Er reagierte nicht darauf; erst als er die Tür aufgesperrt hatte und das Licht anknipste, erkannte er das Rufsignal des TV-Telefons.
    Als er das Gerät einschaltete, erschien eine Bandaufzeichnung. Direktor Pearsons strenges Gesicht sah ihn an.
     »Ich brauche Sie sofort im Büro«,

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