Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
er um eine Ecke und stand vor einem großen Lagerraum.
     Es war nicht wirklich Jones. Es war ein Tonband. Aber doch war der lebendige und grausame Geist da. Auf Stuhlreihen saßen Männer und Frauen und hörten aufmerksam zu. Der Lagerraum war mit Ballen, Kisten, riesigen Paketstapeln gefüllt. Der Gang hatte ihn in ein ganz anderes Gebäude geführt, er verband verschiedene Unternehmen. Hier befand sich die Verladeeinrichtung eines Geschäftsbetriebs.
     An der Wand klebten Plakate. Er stand am Eingang, lauschte der zornigen, leidenschaftlichen Stimme und begriff, daß er einen offiziellen Versammlungssaal vor sich hatte. Dies war eine Zusammenkunft im Morgengrauen, das waren berufstätige Menschen, die vor Beginn ihres Arbeitstages zusammenkamen.
    Am anderen Ende, wo die Lautsprecher plärrten, hing Jones’ Emblem, die gekreuzten Flaschen des Hermes. Cussick sah verschiedene Uniformen der zu den Vereinigten Patrioten gehörenden Organisationen, sowohl der Frauen – wie der Jugendgruppen, Armbinden, Abzeichen und Embleme. In einer Ecke standen zwei behelmte Sicherheitspolizisten. Die Versammlung war kein Geheimnis. Sie fand nie geheim statt; dazu bestand keine Notwendigkeit.
     Niemand trat Cussick in den Weg, als er durch den Korridor zurückging. Im Haus begann es sich zu regen; draußen begann man Lastwagen zu beladen. Er fand Ninas Zimmer und trat ein.
     Sie war wach. Als er sich umdrehte, setzte sie sich mit geweiteten Augen auf.
    »Wo bist du gewesen? Ich dachte…«
     »Ich bin ja wieder da. Ich habe Geräusche gehört.« Das ferne Grollen von Jones’ Stimme war immer noch zu hören. »Das.«
     »Oh.« Sie nickte. »Ja, sie treffen sich hier. Das gehört mit dazu. Mein Zimmer.«
    »Du hast für sie gearbeitet, nicht wahr?«
     »Nichts Bedeutendes. Broschüren gefaltet und Adressen geschrieben. Wie früher. Ich habe Informationen verteilt. Öffentlichkeitsarbeit würdest du es wohl nennen.«
     Cussick setzte sich auf die Bettkante, griff nach der Handtasche seiner Frau und öffnete sie. Ausweise, Karten, Lippenstift, ein Handspiegel, Schlüssel, Geld, ein Taschentuch – er schüttete alles aufs Bett. Nina sah ruhig zu; sie hatte sich auf den Ellbogen gestützt. Cussick kramte im Inhalt der Tasche, bis er fand, was er gesucht hatte.
    »Ich bin neugierig«, sagte er. »Wegen Rang und Tag.«
    Ihre Mitgliedskarte der Vereinigten Patrioten stammte vom 17. Februar 2002. Sie war seit acht Monaten Mitglied, bevor Jack geboren worden war. Verschlüsselte Zeichen, mit denen er vertraut war, wiesen sie als Vollmitglied mit ziemlich hoher Verantwortung aus.
     »Du bist ernsthaft beteiligt«, sagte er, als er die Handtasche wieder einräumte. »Während ich zu tun hatte, warst du auch beschäftigt.«
     »Es hat viel Arbeit gegeben«, sagte sie leise. »Und sie brauchen Geld. Da habe ich auch helfen können. Wie spät ist es? Gegen sechs Uhr, nicht wahr?«
     »Noch nicht ganz.« Er zündete sich eine Zigarette an. Erstaunlicherweise war er gefaßt und vernünftig. Er spürte keine Gefühlsregung. Vielleicht kam das später. Vielleicht auch nicht. »Nun?« sagte er. »Es ist wohl noch zu früh, um hier wegz ugehen.«
     »Ich möchte noch schlafen.« Ihre Lider sanken herab; sie gähnte, streckte sich und lächelte ihn hoffnungsvoll an. »Geht das?«
     »Gewiß.« Er drückte seine Zigarette aus und begann die Schuhe auszuziehen.
     »Es ist irgendwie aufregend«, sagte Nina gedankenvoll. »Wie ein Abenteuer – wir zwei hier, die verschlossene Tür, das Geheime. Findest du nicht? Ich meine, es ist nicht – abgestanden. Keine Routine.« Während er vor dem Bett stand und sein Hemd aufknöpfte, fuhr sie fort: »Ich habe mich so gelangweilt, war es müde, Tag für Tag immer wieder dasselbe zu tun. Das triste normale Leben zu führen, eine verheiratete Frau mit Kind, eine biedere Hausfrau. Dieses Leben lohnt sich nicht – spürst du das nicht? Willst du nicht auch etwas tun?«
    »Ich habe meine Arbeit.«
    Traurig erwiderte sie: »Ich weiß.«
    Er knipste das Licht aus und kam zu ihr. Weißes, kaltes Sonnenlicht breitete sich in dem abgedunkelten Raum aus. Der Körper seiner Frau zeichnete sich scharf ab. Sie warf die Bettdecke zurück; irgendwann hatte sie sich ganz ausgezogen, war aufgestanden und hatte ihr Kleid ordentlich in den Schrank gehängt. Ihre Schuhe, Strümpfe, Unterwäsche waren ver schwunden, wahrscheinlich in Schubladen. Nina rückte zur Seite und streckte fordernd die Arme nach ihm

Weitere Kostenlose Bücher