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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wachsenden Embryos.
     Und er begriff noch etwas anderes. Niemand hatte es geahnt, aber Jones mußte es gewußt haben – und das schon seit einiger Zeit.
     Die Gruppe von Biologen breitete ihre Unterlagen aus. Jones blickte kaum auf die Papiere; er nickte und entfernte sich tief in Gedanken.
     »Wir hatten befürchtet, daß es das sein könnte«, sagte Trillby, der Leiter der Gruppe. »Das erklärt ihre Unvollständigkeit. Deshalb besitzen sie kein Verdauungs- oder Fortpflanzungssystem.« Er fügte hinzu: »Sie sind ein Fortpflanzungssystem. Das heißt, eine Hälfte davon.«
     »Wie nennt man das?« fragte Jones plötzlich. »Ich erinnere mich nicht mehr.«
     »Metazoon. Vielzeller. Differenziert in verschiedene Organe und Gewebe.«
    »Und wir haben die Endstufen noch nicht gesehen?«
     »Guter Gott, nein«, sagte Trillby nachdrücklich. »Nichts dergleichen. Der Organismus benützt den Planeten als Nährboden. Das Höchste, was wir gesehen haben, ist das Embryo und vielleicht das Fötusstadium. An diesem Punkt verläßt es schlagartig den Planeten. Die Atmosphäre und das Schwerefeld sind das Medium für die frühe Entwicklung, danach braucht es uns nicht mehr. Ich nehme an, daß der endgültige Organismus nicht-planetarisch ist.«
    »Er lebt zwischen den Systemen?« fragte Jones stirnrunzelnd. Sein Gesicht war zerfurcht und sorgenvoll; er hörte den anderen nur halb. »Er pflanzt sich auf Planeten fort – an geschützten Stellen.«
     »Wir haben Grund zu der Vermutung, daß alle die sogenannten Drifter Pollenkörner von einer einzigen erwachsenen Pflanze sind – wenn diese Ausdrücke überhaupt irgendeine Bedeutung haben«, sagte Trillby. »Vielleicht ist das Wesen weder Pflanze noch Tier, vielleicht eine Kombination von beidem.«
    »Pflanzen«, sagte Jones. »Sie kämpfen nicht. Sie sind hilflos.«
     »Allgemein gesprochen. Wir sollten aber nicht unterstellen, daß diese – «
    Jones nickte zerstreut.
     »Natürlich – es ist absurd. Wir wissen im Grunde gar nichts von ihnen.« Er rieb sich müde die Stirn. »Ich behalte Ihren Bericht hier. Danke.«
     Er ließ sie vor ihren Unterlagen wie eine Schar besorgter Hennen stehen. Büros tanzten an ihm vorbei, dann stand er in dem nackten, zugigen Korridor, der den Vewaltungs- mit dem Polizeiflügel verband. Er schaute auf die Taschenuhr und sah, daß es fast schon Zeit war. Zeit. Erbost steckte er die Uhr ein. Ihr gleichgültiges Zifferblatt war ihm verhaßt.
     Ein Jahr lang hatte er über den Bericht nachgedacht. Er hatte ihn Wort für Wort auswendig gelernt – und dann die Forschungsgruppe ausgeschickt, um die Sache untersuchen zu lassen. Sie hatte gute Arbeit geleistet. Es war eine erschöpfende Studie.
     Vor dem Gebäude war es laut. Jones blieb schaudernd stehen. Zitternd fuhr er mit den Fingern durch die Haare und glättete sie, so gut er konnte, und machte sich ordentlich, soweit es ging.
     Er war ein einfacher, kleiner Mann mit Nickelbrille und schütteren Haaren. Er trug eine schlichte graue Uniform, an der eingefallenen Brust einen einzigen Orden, dazu die übliche Armbinde mit den gekreuzten Flaschen. Sein Leben bestand nur aus Arbeit. Er hatte von der Anspannung und Sorge ein Zwölffingerdarmgeschwür. Er war gewissenhaft.
    Er war geschlagen.
     Aber die Masse vor dem Haus wußte das nicht. Sie war unübersehbar angeschwollen. Tausende von Menschen drängten sich erregt zusammen, schrien, winkten mit den Armen, jubelten und hielten Fahnen und Spruchbänder hoch. Der Lärm wogte und brandete und drang zu Jones wie ein fernes Rauschen, das – mit kurzen Pausen – seit über einem Jahr anhielt. Vor dem Haus war immer jemand, der wie ein Irrer brüllte. Jones kannte die einzelnen Schlagworte und verglich sie im stillen mit seinem Programm.
    »Wir haben Vertrauen!«
    »Noch nicht, aber bald!«
    ›Jones weiß – Jones handelt‹
     Jones wußte. Grimmig ging er mit verschränkten Armen im Kreis herum. Nachdem die Menge die Hecken um das Polizeigebäude zertrampelt hatte, würde sie sich wieder zerstreuen. Jubelnd und einander Schlagworte zurufend, würden sie sich entfernen. Die Fanatiker der Organisation würden eiskalt duschen und an ihre Posten zurückkehren, um den nächsten Schritt der großen Strategie zu planen. Noch keiner von ihnen wußte es, aber der Kreuzzug war vorbei. In wenigen Tagen würden die Raumschiffe zurückkommen.
     Am anderen Ende des Korridors wurde eine Tür geöffnet; zwei Männer tauchten auf, Pearson und ein

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