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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Kassette und verschwinden Sie.«
     Entgeistert und überwältigt von dieser Entscheidung, griff Manion nach der Stahlkassette und taumelte hinaus. Der Posten trat zur Seite, und Manion verschwand durch die Tür.
     Pearson atmete auf und sagte: »Sie wollten nicht mit uns zusammenarbeiten. Kaminski wünschte, daß Sie beim Wiederaufbau helfen sollten.«
     »Gut.« Jones nickte dem Posten zu. »Führen Sie den Mann in seine Zelle zurück. Sperren Sie ihn dort ein.«
    »Wie lange?« fragte der Mann.
    »Solange Sie können«, erwiderte Jones bitter.
     Auf der Rückfahrt zur Organisationszentrale brütete Jones vor sich hin.
     Nun, er hatte mit einem Mißerfolg gerechnet, oder nicht? Hatte er nicht gewußt, daß Pearson ablehnen würde? Hatte er nicht die ganze armselige Episode vorausgesehen und gewußt, daß er die Folter nicht durchsetzen würde? Er konnte – und würde – sagen, daß er es getan hatte, aber das änderte nichts an den Tatsachen.
     Er war auf dem absteigenden Ast. Es blieb ihm noch eine schreckliche, brutale Zeit, mehr nicht. Was er jetzt tat, geschah aus Verzweiflung; es war unbarmherzig und endgültig. Es war etwas, worüber die Menschen noch nach Jahrhunderten diskutieren würden. Aber, so schlimm es auch war, es brachte ihm im Grunde und unweigerlich den Tod.
    Er hatte kein sicheres Wissen davon, was aus der Gesellschaft werden würde, weil er es nicht mehr erleben konnte. In Kürze würde er sterben. Er hatte es fast ein Jahr lang bedacht; man konnte das zeitweise ignorieren, aber es tauchte immer wieder auf, und jedesmal schrecklicher und drängender.
     Nach dem Tod würden Körper und Gehirn zerfallen. Das war das Schlimme: nicht der plötzliche qualvolle Augenblick, die Sekunde der Hinrichtung. Das konnte er ertragen, aber nicht den langsamen, stufenweisen Zerfall.
     Monatelang würde noch ein Funke des Wissens um die Identität im Gehirn verweilen, ein trübes Flackern des Bewußtseins: das war sein zukünftiges Gedächtnis; das war es, was ihm die Welle zeigte: Dunkelheit, die Leere des Todes, und in der Leere schwebend die noch lebende Persönlichkeit.
     Der Zerfall würde auf höchster Ebene beginnen, würde zuerst die höchsten Fähigkeiten angreifen, Prozesse, die dem Erkennen dienten, zum Erliegen bringen. Eine Stunde nach dem Tod würde die Persönlichkeit auf einer animalischen Stufe angelangt sein. Eine Woche danach auf der pflanzenhaften. Die Persönlichkeit würde sich auf dem Weg zurückentwickeln, den sie in anderer Richtung gegangen war; sie würde zurückkehren, wie sie sich durch Jahrmilliarden emporgekämpft hatte. Schritt für Schritt, vom Menschen zum Affen, zum Krustentier, zum Trilobiten, zum Protozoen. Danach würde die minerale Auslöschung erfolgen, das endgültige, barmherzige Ende. Aber es würde Zeit erfordern.
     Normalerweise spürte die sich rückentwickelnde Persönlichkeit nichts, war sich des Prozesses nicht bewußt. Aber Jones war eine einmalige Erscheinung. Jetzt, in diesem Augenblick, erlebte er es mit intakten Sinnen. Gleichzeitig war er voll bei Bewußtsein, voll bei Sinnen, während er die letzte psychische Degeneration erfuhr.
     Es war unerträglich. Aber er mußte es ertragen. Jeden Tag, jede Woche wurde es schlimmer – bis er tatsächlich sterben würde. Dann hatte die Qual, Gott sei Dank, ein Ende.
     Die Qualen, die er anderen verursacht hatte, waren mit dem, was erlitt, nicht zu vergleichen. Aber es war recht; er verdiente es. Das war seine Strafe. Er hatte gesündigt, und nun kam die Vergeltung über ihn.
    Die letzte, düstere Phase von Jones’ Dasein hatte begonnen.

    XVII

     Cussick war tief im Gespräch mit zwei Angehörigen des PolizeiWiderstands, als der lange, schwarze Wagen der Organisation vor dem Haus hielt.
     »Menschenskind«, sagte einer der Polizisten, während er in seine Jacke griff. »Was wollen die hier?«
     Cussick knipste das Licht aus; es wurde schlagartig dunkel im Wohnzimmer. Im Auto saßen zwei Gestalten. Es war ein Dienstfahrzeug mit dem Emblem der gekreuzten Flaschen an Türen und Motorhaube. Einen Augenblick blieben die Figuren sitzen, ohne sich zu bewegen. Sie sprachen offenbar miteinander.
     »Wir werden fertig mit ihnen«, sagte einer der Polizisten hinter Cussick nervös. »Wir sind zu dritt.«
     Angewidert sagte sein Begleiter: »Das ist doch nur das Personal vor dem Haus. Wahrscheinlich stehen sie auf dem Dach und im Treppenhaus.«
     Cussick schaute starr hinunter. Im trüben Licht der

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