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Die Seltsamen (German Edition)

Die Seltsamen (German Edition)

Titel: Die Seltsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bachmann
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dreinblickende Frau war, einen Wäschekorb an der Hüfte, im Vorgarten zugange und legte Bettlaken auf dem Gras zum Trocknen aus. Dabei schlurfte sie einmal, zweimal, ein Dutzend Mal über die Stelle, wo der Kreis sich befunden hatte, ohne dass etwas geschah. Keine Flügel stoben auf, kein Sturm erhob sich. Die Magie hatte ihre Wirkung verloren.
    Sein Blick schweifte weiter zum Haus. In einem der oberen Fenster regte sich etwas. Bartholomew erstarrte – fast rechnete er damit, die dunkle Gestalt dort zu sehen, wie gestern, als sein Freund fortgeholt worden war. Das Fenster schwang auf, ein dünner Vorhang wurde beiseitegezogen. Die Feenmutter saß, den Kopf hoch erhoben, die Hände im Schoß, auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne und blickte hinaus.
    Bartholomew wich von der Scheibe zurück. Bisher hatte er sie nur äußerst selten gesehen. Aber er sah alle Leute nur äußerst selten. Sie war eine Waldelfe, klein und feingliedrig, mit einem Geweih auf dem Kopf. Beinahe hübsch war sie. Bis auf ihre Augen. Mit leerem Blick starrte sie in den Garten hinaus, ihre Pupillen so blind wie Murmeln. Sie hatte geweint.
    Bartholomew betrachtete sie voller Verwunderung. Vermisste sie ihren Sohn? War er also doch entführt worden? Fast war es ihm gelungen, sich einzureden, dass die pflaumenfarbene Dame eine Magierin war, eine Verwandte, die sich in bester Absicht seines Freundes angenommen hatte. Aber jetzt war er sich dessen plötzlich nicht mehr so sicher. Das war nicht das Gesicht einer einsamen Mutter. Das war das ausdruckslose Gesicht einer Frau, die so viel Kummer in sich barg, dass sie nicht mehr wusste, wohin damit, einer Frau mit einem Stachel im Herzen, der sie quälte, mochte sie auch noch so sehr heulen und schreien.
    Im Garten legte die mürrisch dreinblickende Frau weiter die Wäsche aus. Sie wandte sich zum Haus um und ging sogar wiederholt unter dem Fenster vorbei, ohne jedoch nur einen Blick auf die Elfe zu werfen. Was für eine ungehobelte, gemeine Person, dachte Bartholomew und schaute wieder zu der Mutter hinüber.
    Ihre Lippen bewegten sich langsam, bildeten Worte, aber er war zu weit weg, um etwas zu verstehen. Sie faltete die Hände im Schoß, löste sie wieder voneinander. Wippte auf ihrem Stuhl vor und zurück. Die mürrisch dreinblickende Frau legte jetzt Kissenbezüge aus und verwandelte den Garten in ein Schachbrett aus Bettzeug und vertrocknetem Gras.
    Bartholomew rückte noch ein wenig näher an die Fensterscheibe heran. Eine leichte Brise kam auf. Der weiße Vorhang strich der Feenmutter über Gesicht und Geweih, doch sie blieb weiter ungerührt sitzen.
    Der Wind wurde stärker. Laken und Bettbezüge gerieten in Bewegung und glitten gemächlich über das Unkraut. Ein Schatten legte sich auf die Gasse. Bartholomew blickte nach oben und sah, dass an dem sommerlichen Himmel plötzlich dunkle Wolken aufgezogen waren. Die Laken rollten sich zusammen und bildeten wilde Haufen nebeneinander.
    Die mürrisch dreinblickende Frau arbeitete ungerührt weiter und zog Laken gerade, während das andere Bettzeug durch den Garten geweht wurde. Die beiden Männer am Ende der Krähengasse waren noch immer in ihr Gespräch vertieft. Der Hund hatte irgendwelche Abfälle entdeckt und wühlte träge darin. Niemand schien die hereinbrechende Finsternis zu bemerken.
    Aus dem lauen Lüftchen war jetzt ein frischer Wind geworden, der die Bettwäsche vom Boden riss und durch die Luft wirbelte. Die Vorhänge peitschten über das Fenster, an dem die Feenmutter saß, sodass sie in einem Moment dahinter verschwand und sich im nächsten wieder in aller Deutlichkeit vor dem weißen Stoff abzeichnete.
    Plötzlich hallte ein schriller Schrei durch die Gasse, als würde Metall über Metall schleifen. Das Gesicht der Feenmutter klatschte nur wenige Zentimeter von Bartholomew entfernt gegen das kleine Dachfenster. Ihre tief liegenden Augen waren riesig und so schwarz wie der Tod. Tränen rannen ihr über die Wangen, schienen kein Ende nehmen zu wollen. Ihr Mund stand weit offen.
    Bartholomew schrie laut auf. Er versuchte, von der Scheibe zurückzuweichen, konnte sich jedoch nicht bewegen. Von Kopf bis Fuß war er kalt und starr geworden wie die Wasserpumpe im Winter. Der Mund der Feenmutter öffnete sich noch weiter, und daraus löste sich ein grässliches Wehklagen.
    »Du wirst es nicht kommen hören«, kreischte sie, und ihre Pupillen rollten nach oben.
    Bartholomew zitterte und weinte, und vor Entsetzen verschlug es ihm den

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