Die Sextherapie: Roman (German Edition)
sie Internatsschülern noch mal in den Tee getan, damit sie keine verbotenen Spiele miteinander trieben? Bromid?«
»Diesen Verdacht habe ich auch. Jedenfalls riecht er komisch.«
Sie beschlossen, den Tee nicht zu trinken, und Shelley kippte ihn ins Waschbecken. Anschließend gingen sie nach unten in den Speisesaal, um zu frühstücken. Abigail, Cliff und Cheryl waren schon da. Die Swinger winkten ihr zur Begrüßung fröhlich zu. Abigail nickte nur. Shelley fiel auf, dass sie bis auf ihre Vorstellung am Anfang des Kurses kaum ein Wort gesprochen hatte.
Da Sandra durch Abwesenheit glänzte, war das Frühstück zum Glück frei von phallischen Objekten. Es gab nicht einmal Würstchen. Shelley hatte Hunger wie ein Wolf und entschied sich, nachdem sie von einer Schale Müsli nicht satt geworden war, für Rührei mit Speck und Toast. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass in der Klinik nahezu jede sexuelle Anspielung fehlte. Es gab keine Boulevardzeitungen. Nur der Guardian und der Independent waren erlaubt, und selbst bei diesen Blättern war der Feuilleton-Teil herausgetrennt worden, damit sich bloß keine nackte Brust einschleichen konnte. Heilung durch Zeitungsentzug, dachte Shelley. Die Zeitschriftenauswahl beschränkte sich auf Publikationen wie Pferd und Hund und Die Landhausküche .
Shelleys zugegebenermaßen oberflächliche Recherche hatte ergeben, dass in dieser Klinik nicht nur Sexsüchtige behandelt wurden, sondern auch andere Abhängige, hauptsächlich von Drogen und Alkohol. In der Sexualabteilung wurden außerdem diverse weitere mit Sexualität zusammenhängende psychische Probleme therapiert. Alles in allem war offensichtlich, dass die Innenarchitekten die Anweisung erhalten hatten, alles so neutral und nichtssagend wie möglich zu gestalten. Der anregendste Gegenstand im Raum war ein unbedecktes, wenn auch ziemlich formschönes Tischbein.
Als Shelley das Ende der Warteschlange am warmen Büfett erreicht hatte, stand plötzlich Will hinter ihr. »Soll ich Ihr Tablett tragen, Shelley?«, fragte er, wurde jedoch von Dr. Parrish unterbrochen, die sichergehen wollte, dass er Shelley nicht belästigte.
»Schonen Sie Ihre Kräfte für Ihre heutige Beichte, Mr. Trewin«, sagte sie tadelnd und führte ihn am Ellbogen weg. Uff , sagte sich Shelley. Mein Tablett tragen, dass ich nicht lache . Lebte der Kerl noch in den Fünfzigern?
»Ich nehme Ihnen das ab, Madam«, verkündete Cian, schnappte sich Shelleys Tablett und bedeutete ihr voranzugehen. Shelley kicherte wie ein Schulmädchen, sie fand das Angebot ausgesprochen charmant. Der Unterschied zwischen Höflichkeit und Sexismus hing nämlich eng damit zusammen, ob man auf den betreffenden Typen stand oder nicht.
Shelley kam nicht umhin festzustellen, dass Cian ein wenig übernächtigt wirkte. Im nächsten Moment erschien Larry, der, wie Shelley bemerkte, ebenfalls einen recht mitgenommenen Eindruck machte. Er war unrasiert und hatte Tränensäcke und ein verquollenes Gesicht. Waren die Jungen krank? Hatten sie ein Mädchen in ihr Zimmer geschmuggelt oder ein paar Zeitschriften?
»Prima«, sagte Verity, als alle ihr Frühstück in sich hineinschaufelten. »Offenbar ist uns über Nacht niemand abhandengekommen. Lachen Sie nicht, das ist schon öfter passiert. In einem Kurs sind in der ersten Woche drei Teilnehmer verschwunden.«
Nach dem Frühstück tobte sich Shelley ein paar Stunden im Fitnessraum und im Pool aus und versuchte, an gar nichts zu denken. Anschließend fand eine kurze Sitzung im Flussraum statt, wo es einen Projektor gab. Als Verity die Vorhänge zuzog, fing Cian an zu applaudieren. »Ein Film!«, jubelte er. »Vielleicht einer mit Rose Saintly in der Hauptrolle?«
Verity achtete nicht auf ihn. »Der Film, den wir jetzt sehen werden, trägt den Titel Es ist nicht schlimm, allein zu sein .« Sie schaltete den Projektor an und setzte sich.
»Alleinsein ist nicht mein Problem«, murmelte Larry, der hinter Shelley saß.
Der Film begann. Er erinnerte Shelley an die grässlichen Firmenvideos, die man sich bei Lehrgängen anschauen musste. Die Schauspieler waren erbärmlich, und die Handlung drehte sich um eine Frau, die in einer Kneipe einen Mann mit Schnurrbart kennenlernte, mit ihm nach Hause ging und sich am nächsten Morgen benutzt und schuldig fühlte.
Dann erschien ein Erzähler, der vorschlug, die Zeit zurückzudrehen, nur mit dem Unterschied, dass die Frau sich diesmal weigern sollte, den Mann zu begleiten. So nahm die
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