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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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herum. Anscheinend hatte ich es unter die Büsche geschafft.
    Mein Angreifer kam auf die Füße
     und torkelte ein paar Schritte. Dann war Stille.
    Mucksmäuschenstill lag
     ich da. Ich wagte nicht zu atmen.
    Plötzlich hörte ich
     Schritte, die näher kamen.
    »Kate!«, rief
     eine Stimme. Bens Stimme.
    Ich hörte verschiedene
     Schritte, welche, die kamen, und welche, die gingen.
    »Kate«, rief Ben
     wieder.
    Ich kämpfte gegen den
     Knebel. Dann raschelte es im Laub über mir, und jemand packte mich.
     Die Kapuze wurde abgenommen, der Knebel herausgezogen, und Ben war da und
     knüpfte meine Fesseln auf. Er hielt mich fest, während ich würgend
     nach Atem rang.
    »Alles in Ordnung da
     unten?«, rief eine tiefe Stimme, die Respekt gewohnt war, von oben.
     Ein dunkler Umriss spähte über die Balustrade, genau wie ich
     vorher.
    Ben zog mich tiefer ins
     Dunkel.
    Der Strahl einer Taschenlampe
     zuckte über den Boden, streifte Dr. Sanderson, dann sprang er zurück.
     Im gleichen Moment fiel mein Blick auf ein weißlich schimmerndes Stück
     Papier. Sanderson hielt immer noch den Zettel in der Hand.
    »Jesses«, fluchte
     die Stimme. Dann polterten schwere Stiefel die Treppe herunter.
    Ich zog Ben hinter mir her
     und lief zu Dr. Sanderson zurück, ohne die klaffende Wunde an seinem
     Hals anzusehen. Seine Hand war kalt und wurde bereits steif, doch ich
     schaffte es, das Blatt aus seinem Griff zu befreien. Es war um etwas
     Hartes gewickelt.
    Hastig sammelte ich meine Bücher
     ein. Ben kniete sich hin, um mir zu helfen. Die Papiere im Chambers waren
     noch vollzählig: Ros’ Karte, Granvilles Brief an Child und
     Ophelias Brief an Granville.
    Ben sprach leise und gefasst.
     »Das ist Ihre Chance, die Sache der Polizei zu übergeben«,
     flüsterte er. »Wenn Sie hierbleiben.«
    »Erst wenn ich den
     Brief gelesen habe.«
    »Vielleicht können
     Sie nicht mehr zurück.«
    »Der Brief.«
    Ben nickte, dann nahm er mich
     am Ellbogen und zog mich tiefer in den Schatten. Als der Polizist das Ende
     der Treppe erreichte, schlichen wir uns den Hang hinunter und liefen durch
     den Magnolienhain zurück zur Südseite des Kapitols. Im Schutz
     der hohen Parkbäume, Buchen, Eschen und Eichen, kamen wir über
     einen gepflasterten Weg auf die Independence Avenue. Im Hintergrund hörte
     ich das Knistern eines Funkgeräts, als der Polizist Unterstützung
     anforderte.
    Im nächsten Moment
     heulte ganz in der Nähe eine Sirene auf.
    Eilig überquerten wir
     die Straße, und vor dem klassizistischen Eingang eines Regierungsgebäudes
     winkte Ben ein Taxi heran. Sekunden später waren wir im Viertel
     Capitol Hill abgetaucht. Ein paar Querstraßen nordöstlich ließen
     wir uns absetzen. Ben hakte mich unter, und wir gingen schnellen Schrittes
     die Straße hinauf. Ich versuchte mich zu orientieren, doch immer
     wieder tauchte Dr. Sandersons Gesicht aus der Dunkelheit vor mir auf, die
     klaffende Wunde an seinem Hals wie zum stummen Schrei geöffnet.
     Irgendwann blieb ich stehen und musste mich in einen Vorgarten übergeben.
    Ben legte mir seinen Mantel
     um die Schultern und nahm mich in den Arm.
    »Ein hässlicher
     Tod«, sagte er.
    »Er wurde meuchlings
     ermordet«, keuchte ich. »Sie haben ihn auf den Stufen des
     Kapitols zu Julius Cäsar gemacht.«
    »Ja.«
    Er versuchte nicht, den
     Vorfall zu entschuldigen oder irgendwie schönzureden, und ich war ihm
     dankbar dafür. Ich war auch dankbar, dass er mich festhielt. In der
     hereinbrechenden Nacht war seine physische Präsenz das Einzige, das
     mir Sicherheit gab. Blinzelnd versuchte ich die Tränen zurückzuhalten,
     und wir gingen ein Stück, ohne zu sprechen.
    »Ich glaube …«
     Ich schluckte. »Ich glaube, er sollte auch Bassianus sein.«
    »Wer?«
    »Lavinias Geliebter.
     Ihm wurde die Kehle aufgeschlitzt, und seine Leiche wurde in eine Grube im
     Wald geworfen, bevor … bevor Lavinia vergewaltigt und verstümmelt
     wurde.«
    Bens Umarmung wurde fester.
     »Hat er -?«
    »Nein.« Doch die
     Stelle zwischen meinen Beinen, wo er zugepackt hatte, brannte. »Wo
     gehen wir hin?«
    »Ich habe einen Plan
     ins Rollen gebracht, Kate, und wenn Sie nicht zur Polizei wollen, ziehen
     Sie das am besten mit durch.«
    Ich nickte. An der nächsten
     Ecke bogen wir rechts ab. Ein paar Meter weiter öffnete Ben das
     Eisentor zum Garten des Eckhauses. Es war ein tiefblaues Haus aus dem 19.
     Jahrhundert mit Giebeln und Türmchen, Kletterrosen an den Säulen
     und einer

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