Die Shakespeare-Morde
König samt der königlichen
Familie, dem Ober- und dem Unterhaus und unzählige namenlose
Passanten in die Luft gejagt. Hätten die Verschwörer Erfolg
gehabt, wäre nicht viel von Westminster übrig geblieben. Und
England wäre vielleicht in die Knie gegangen.
Die Frau betrachtete die
Gesichter auf der Tribüne - junge und alte, mit schaulustigen,
erregten und ungeduldigen Mienen, in prächtige Satin- und Samtroben
gewandet. Männer, die bei der blutigen Feuersbrunst zerfetzt worden wären,
hätten die Verschwörer das Pulver gezündet, das sie in den
Kellern unter dem Parlament gehortet hatten. Sie sah Richter, Geheimräte,
Adlige und sogar Bischöfe. Es saßen auch einige von weniger
hohem Rang dort oben, die wohlhabend genug waren, sich den Respekt zu
erkaufen. Anwälte und Kaufleute, Landbesitzer und Minister. Sogar der
eine oder andere Dichter. Die Howards waren in großer Zahl vertreten
- an ihrer Spitze der Graf von Northampton und der Graf von Suffolk mit
seinem Sohn im Schlepptau, dem jungen Lord Howard de Waiden, umgeben von
Dienern in gelber Livree.
Kaum hatte man den Pater vom
Karren gezerrt, bat er um einen stillen Ort zum Beten, doch ein schwarz
gekleideter Beamter der Krone brüllte ihn an und verlangte ein Geständnis.
Mit ruhiger Stimme bestritt der Geistliche, dass er irgendetwas zu
gestehen hätte.
Sie achtete nicht auf das
Gezeter über ihr. Gegenüber war Will von der sanften Stimme des
Paters in den Bann geschlagen. Sie konnte sehen, wie abwechselnd Sorge und
Ehrfurcht über seine Züge huschten, während der Jubel und
das Geschrei im Hintergrund verebbten und die Menge schließlich ganz
verstummte.
Plötzlich merkte sie,
dass sie doch hinsehen musste. Am Fuß des Galgens ging der Pater dem
Henker zur Hand, als dieser ihn bis auf das Hemd entkleidete, dessen lange
Schöße in einem kläglichen Anfall von Scham seitlich
zusammengenäht waren. Demütig wie ein Kind ließ sich der Pater die
Schlinge um den Hals legen, doch als ein Pfarrer kam, um ihm
protestantischen Beistand anzubieten, lehnte er unbeugsam ab. Die Trommeln
begleiteten seine Schritte, als er die Leiter hinaufstieg.
Oben auf dem Schafott sprach
er ein kurzes lateinisches Gebet. Der Trommelwirbel wurde schneller.
Inzwischen hatten einige der Zuschauer, die eben noch nach Blut geschrien
hatten, zu weinen angefangen. Der Pater kreuzte die Arme vor der Brust.
Der Vertreter des Königs nickte. Die Trommeln hielten inne, der
Henker riss die Leiter weg, und der Pater fiel.
Am Boden wogte die Menge nach
vorn, riss die Frau mit sich. Einige zwangen den Henker zurück und
riefen: »Halt! Halt!« Andere zerrten voll Mitleid an den
Beinen des Priesters. Das Urteil sah vor, ihn lebend vom Galgen zu nehmen,
doch bis sich die Wachen des Königs mit Ochsenziemern und den flachen
Seiten ihrer Schwerter bis zu dem Gefangenen vorgekämpft hatten, war
er tot.
Eine unheimliche Stille legte
sich über den Platz, als die Menge zurückwich und die Schlächter
zu Werk gingen. Der Frau stieg der heiße, trübe Geruch von Blut
in die Nase, und ihr wurde schwindelig. Sie schloss die Augen. Dann schlug
sie sie müde wieder auf und riss sich widerstrebend zusammen.
*
Von der Tribüne sah der
Graf von Northampton hochinteressiert zu, wie dem Verurteilten der Bauch
aufgeschlitzt wurde. Die Argumente, die die Anklage anführte, um den
Pater zu verdammen, stammten von ihm. Sobald das blutige Geschäft
erledigt wäre, würde er sich an die Aufgabe machen, die Worte für
die Veröffentlichung zu wiederholen.
Pater Garnet hatte zugegeben,
von der Verschwörung gewusst und nichts unternommen zu haben, um sie
zu verhindern. Er durfte nicht, hatte der Pater beharrt; das
Beichtgeheimnis habe es ihm verboten. Der Graf hatte die Verteidigung
abgeschmettert. Pater Garnet, behauptete er, habe den ganzen Anschlag
geplant.
Die Anschuldigung war falsch,
und der Graf wusste das. Doch er musste es sagen - überzeugend sagen
-, um seine eigene Loyalität zu beweisen, denn es wurde gemunkelt,
dass er selbst sowohl Katholik als auch Spanienfreund sei. Der Rachedurst
Englands musste gestillt werden, und bevor die Menschen anfingen,
misstrauisch nach den Howards und ihren Verbündeten unter den
katholischen Familien zu schielen, hatte er ihnen einen Sündenbock
hingeworfen.
Pater Garnet wurde geopfert,
um andere zu retten. Er würde das von
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