Die Shakespeare-Morde
Hollywoodschaukel auf der vorderen Veranda. Ben hielt mich immer
noch im Arm, als er mich durch den Garten zur Haustür führte.
Die Tür stand offen. Wir traten ein, und Ben schloss die Tür
hinter uns, dann verriegelte er sie.
Bis auf den dämmrigen
Schein einer chinesischen Vasenlampe im Treppenhaus lag das Haus im
Dunkeln, doch Ben führte mich unbeirrt über die Perserteppiche
an der Treppe vorbei, durch ein Esszimmer bis in die Küche an der Rückseite
des Hauses.
»Ich schätze, Sie
kennen die Besitzer?«
»Sind verreist.«
Er legte meine Bücher auf dem Küchentisch ab und knipste das
Licht an. »Setzen Sie sich«, sagte er, und ich gehorchte.
»Ich gehe jetzt zum Waschbecken.« Seit er mich aus den Büschen
gerettet hatte, hatte er mich nicht losgelassen. Ich starrte ihn an, als könnte
er sich vor mir in Luft auflösen.
Ben durchsuchte die
Schubladen, fand ein sauberes Handtuch und feuchtete es unter dem
Wasserhahn an.
Ich versuchte die Panik zurückzudrängen.
»Die Leute verlassen einfach ihr Haus, wenn Sie es brauchen? Und
lassen die Tür offen stehen?«
Er sah mich lächelnd an.
»Hängt davon ab, wie gut die Beziehungen sind, die man hat.
Aber, nein, so einfach ist es nicht. Das hier gehört zum Notfallplan,
für den ich in der letzten Stunde alle Strippen gezogen habe, die ich
irgendwie erreichen konnte.«
Ich beugte mich über den
Tisch und öffnete meine Faust. Das Papier, das ich die ganze Zeit in
der Hand gehalten hatte, glitt heraus, und das eingewickelte Objekt rollte
auf den Tisch. Eine schwarze Brosche, mit zierlichen Blumen bemalt. Das
Original der Brosche, die ich trug. War sie noch da? Ängstlich
betastete ich mein Revers.
Ja, sie war noch da.
Dann fiel mein Blick auf das
Blatt, das vor mir auf dem Tisch lag. Es waren Blutflecke darauf, die
langsam braun wurden. Ein Brief, datiert 1932, doch die Handschrift war
altmodisch verschnörkelt und gestochen - sie schien in eine andere
Epoche zu gehören. Der Brief trug Ophelias Unterschrift.
Ein Satz in der Mitte war
doppelt unterstrichen.
Miß Bacon hatte Recht,
hatte Ophelia geschrieben. Recht und nochmals Recht.
Ich hatte das Gefühl,
den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wenn Delia Bacon recht
hatte, hatte William Shakespeare aus Stratford die Stücke nicht
geschrieben.
»Lieber Himmel«,
sagte jemand, und dann merkte ich, dass es meine eigene Stimme war.
Zwischenspiel
3. Mai 1606
Auf der Westseite der
Kathedrale, hinter den bröckelnden Statuen der Propheten, stand eine
Frau und blickte zu zwei Männern hinauf, die jenseits des Schafotts
auf der Holztribüne saßen. Dahinter ragte die schroffe Ruine
des Kirchturms in den Morgenhimmel auf, den ein halbes Jahrhundert zuvor
ein Blitz getroffen hatte.
In einen braunen
Kapuzenmantel gehüllt, der ihr Kleid und ihr glänzendes
schwarzes Haar verbarg, war sie dem Paar von Shakespeares Wohnstatt bis
zur St. Pauls Cathedral auf dem Hügel unbemerkt gefolgt. Die Straßen
waren so überfüllt, dass es leichter gewesen war, als sie befürchtet
hatte, obwohl die Männer zu Pferd und sie zu Fuß unterwegs
waren.
Hätte sie gewollt, hätte
auch sie einen Platz auf der hastig zusammengezimmerten Tribüne haben
können, die den reichen und ranghohen Zuschauern einen guten Blick
auf das Geschehen bot. Doch stattdessen hatte sie sich unter die Tagelöhner
und die Lehrlinge, die Straßenkinder und die Hunde, die Mägde
und verbrieften Bettler gemischt - das gemeine Volk, das den offenen Platz
zwischen Schafott und Tribüne füllte und sich um die besten Plätze
drängelte. Der Kirchhof war so voll, dass es nur noch dort Lücken
gab, wo die Sicht auf das Spektakel versperrt war, aber das kümmerte
sie nicht. Sie war nicht wegen der Hinrichtung gekommen. Sie wollte die
Zuschauer sehen. Besonders zwei von ihnen.
Plötzlich geriet die
Menge in Bewegung. Ein dumpfes Trommeln setzte ein. Das Volk begann zu
johlen und zu pfeifen. Weiter links teilte sich die Menge und ließ drei
Pferde in den Kreis, die nebeneinandergespannt einen Weidenkarren zogen,
auf dem ein Mann festgezurrt war.
Es war Pater Henry Garnet,
Superior des englischen Jesuitenordens. Der Priester, den die Regierung
zum Sündenbock der Schießpulververschwörung erklärt
hatte. Der diabolische Plan hätte bei der Parlamentseröffnung im
vergangenen November beinahe den neuen
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