Die Shakespeare-Morde
leise.
»Er hatte das hier in
der Hand.« Ich reichte ihm Ophelias Brief an Mrs Folger und
beobachtete die wachsende Entrüstung in seinem Gesicht, als er las.
»›Miß
Bacon hatte Rechte« Er sah mich empört an. »›Recht
und nochmals Rechte«.
»Ophelia glaubte daran.«
»Mist und nochmals Mist«,
knurrte er. »Du willst doch nicht sagen, dass du sie ernst nimmst?«
»Es gibt drei Tote, und
ich wurde selbst zwei Mal angegriffen. Das nehme ich ernst.«
Sir Henry sah mich
zerknirscht an. »Natürlich. Du hast recht. Vergib mir.«
»Das hier hat sie ihrem
Brief an Mrs Folger beigelegt.« Ich reichte ihm die Brosche, die Dr.
Sanderson in der Hand hielt, als er starb.
Sir Henry runzelte die Stirn.
»Ist das nicht die gleiche, die Ros dir geschenkt hat?«
Ich nickte. »Aber das
hier ist das Original. Ros muss die Reproduktion im Museumsshop der
Folger-Bibliothek erstanden haben, wahrscheinlich als Hinweis auf den
Brief. Wir wissen, dass sie ihn gelesen hat - daher hat sie den Ausdruck
›jakobäisches Magnum opus‹.«
Sir Henry sah sich die
Brosche aufmerksam an, dann drehte er sie um, schob sich die Brille auf
die Stirn und hielt sich die Brosche dicht vor die Augen. »Ist das
die, die du in Dr. Sandersons Hand gefunden hast?«
Ich nickte.
»Kann ich die von Ros
noch mal sehen?«
Die Brosche war warm, weil
ich sie am Körper trug. Widerwillig öffnete ich die Jacke und löste
die Nadel. Sir Henry gab mir das Original zurück und untersuchte
meine Kopie ebenso sorgfältig.
»Ja, das dachte ich mir«,
sagte er nach einer Weile. Er ließ die Brosche sinken und sah mich
an. »Entweder du hast die beiden vertauscht, oder Ros hat sich
genommen, was ihr nicht gehörte. Schau her.« Er zeigte auf eine
Reihe winziger Stempel, die in das Gold der Rückseite graviert waren.
»Der Feingehaltsstempel. In England müssen ihn alle Goldstücke
dieser Schwere vorweisen. Einer davon - die drei Kornähren - ist der
hübsche kleine Stempel von Chester’s Assay Office. Die Prüfanstalt
existiert allerdings längst nicht mehr - ich glaube, seit vor deiner
Geburt. Wie ich schon sagte, als du es ausgepackt hast: Das Stück könnte
sehr gut viktorianisch sein.« Er gab mir die Brosche zurück.
»Nicht pseudo- oder neoviktorianisch. Viktorianisch.« Er rümpfte
die Nase. »Das andere ist moderner Plunder. Kein Stempel - also ist
es entweder nicht aus England, oder es ist nicht aus Gold. Wahrscheinlich
weder noch.«
Ich starrte die beiden
Broschen an - Ros’ in meiner linken, Dr. Sandersons in der rechten
Hand.
»Aber warum hat sie es
gestohlen?«
»Du meinst, trotz ihres
freiheitlichen Lebensstils will Diebstahl einfach nicht zur guten Frau
Professor passen? Schauen wir uns den Brief noch einmal an.«
Zu dritt beugten wir uns
über das Blatt. Im Wesentlichen klang Ophelia wie in ihrem früheren
Brief an Jem, wenn auch weniger atemlos, als wäre ihr in den
vergangenen Jahrzehnten die Leichtigkeit verloren gegangen…. sündigten
wir gegen Gott und die Menschen. Was war passiert?
Und habe, soweit es mir möglich
war, alles an seinen rechtmäßigen Platz zurückgebracht,
wenn mir auch manche Türen versperrt blieben; einen kleinen Teil habe
ich in meinem Garten vergraben. Doch viele Wege führen zur Wahrheit.
Unser jakobäisches Magnum opus, 1623, ist einer davon. Shakespeare
weist einen anderen.
»Aha«, sagte Sir
Henry. »Deswegen in die Westminster Abbey?«
Ich nickte.
»Bewundernswert
scharfsinnig.«
»Wenn ich so
bewundernswert wäre, würden wir uns Schaufeln besorgen und raus
zu Ophelias Garten fahren. Habe ich schon gesagt, dass sie in
Henley-in-Arden aufwuchs, in der Nähe von Stratford? Und ihr Vater
hat die Anstalt geleitet, in die Delia Bacon eingeliefert wurde.«
»Ophelia«,
wiederholte er verblüfft.
»Ich weiß. Es
wirkt vermessen, wenn ein Irrenarzt seine Tochter Ophelia nennt. Wir haben
uns gefragt, ob es der Garten in Henley ist, von dem sie spricht - wenn
der noch existiert.«
»Aber du hältst
ihn in der Hand«, sagte Sir Henry.
»Wie bitte?«
»Ihren Garten.«
Er zeigte auf meine Hand.
Ich sah Ros Brosche an
— die feinen weißen, gelben und violetten Blüten vor dem
mitternachtsschwarzen Oval. Da ist Vergissmeinnicht, das ist zum Andenken.
Und da ist Rosmarin, das ist für die Treue. Fenchel und Akelei;
Rauke, Maßlieb und verblichene Veilchen. Ophelias
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