Die Shakespeare-Morde
ist der
einzig respektable Weg, das Bankwesen, Jura und Medizin zu vermeiden, das
Militär.« Er zuckte die Achseln. »Und man kommt in die
Welt hinaus.«
»Und das respektable
Gegenmittel zum Militär?«
»Wenn es eins gibt,
habe ich es noch nicht gefunden.« Er trank seinen Kaffee aus, nahm
meinen Pass aus der Brusttasche und gab ihn mir zurück. »Beweisstück
A.«
Ich wollte ihn gerade
einstecken, doch Ben sagte: »Ich würde lieber erst reinsehen.«
Wieder war es ein anderer
Pass. Nur das Foto war das gleiche. Jetzt hieß ich nicht mehr
William Johnson, sondern William Turner, und auch die Landesstempel waren
andere. Es waren mehr. Anscheinend war Turner den ganzen Sommer durch
Europa gereist. Der deutsche Stempel zeigte, dass ich schon seit mehr als
einer Woche hier war.
»Für den Fall,
dass die Routen von Washington nach London überwacht werden«,
sagte er.
»Wie viele von den
Dingern hast du?«
»Hoffen wir, der hier
bringt dich ans Ziel.«
Falls die Strecke von
Washington nach London überwacht wurde, die Strecke von Frankfurt
nach London wurde es nicht, zumindest suchte niemand nach einem William
Turner. Gegen drei Uhr nachmittags landeten wir in Heathrow. Ben
verschwand in der Schlange »U. K. und europäische Staatsbürger«.
Nachdem ich mich ungeduldig durch die Schlange für »Andere«
geschoben hatte, wurde ich von einem gut gelaunten Sikh mit Turban
durchgewinkt - ich war in England. Ben hatte bereits das Gepäck
geholt. Keiner beachtete uns, als wir durch den Zoll gingen. Draußen
erwartete uns Sir Henrys Bentley.
»Halleluja«, rief
Sir Henry, als ich mich neben ihn in den Fond setzte. »Du gibst
einen hübschen Jungen ab, Kate.«
»William«, sagte
ich hochnäsig. »William Turner.«
»Und wohin geht es, Mr
Turner?«
»Westminster Abbey«,
erklärte Ben, der sich neben mich setzte. Auf dem Fahrersitz nickte
Barnes.
»Und Sie müssen
Mister Nützlich sein«, sagte Sir Henry. »Ich schätze,
Kate hat fleißig nachgeforscht, wozu genau Sie nützlich sind.«
Der Wagen fuhr los. Mit
finsterem Gesicht stellte ich Ben und Sir Henry einander vor. Sir Henry
ließ per Knopfdruck die Scheibe zwischen dem Fahrer und dem Fond
hoch. Dann sah er mich an. »Ich habe herausgefunden, womit Ros
vergiftet wurde.«
Mir wurde kalt.
»Kalium. So weit zum
mysteriösen ›Saft verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchem.
Nicht mehr als eine simple Kaliumlösung, in den Hals injiziert.
Leicht zu finden, leicht zu benutzen, schnell und tödlich und so gut
wie nicht nachweisbar.«
»Wie konnten Sie es
dann nachweisen?«, fragte Ben.
»Nicht ich«,
sagte Sir Henry. »Inspector Grimmiger hat es herausgefunden.
Anscheinend ist er genauso schlau wie grimmig, doch er hält so dicht,
dass er vermutlich nur einmal im Jahr pinkeln geht. Glücklicherweise
sind seine Mitarbeiter menschlicher. Ich habe Folgendes erfahren: Die
Zellen setzen nach dem Tod Kalium frei, in einer Leiche findet man also
immer eine Menge Kalium. Doch Kalium ist nicht nur Folge, sondern kann
auch Ursache des Todes sein. Das gesunde Herz macht eine Gratwanderung: zu
wenig Kalium - Herzstillstand. Zu viel Kalium - ebenfalls Herzstillstand.
Deswegen wirkt die Injektion einer Kaliumlösung in die Drosselvene
genau wie Hamlets Bilsenkraut.« Er senkte die Stimme. »Das
schwärende Getränk, des Wirkung so mit des Menschen Blut in
Feindschaft steht, daß es hurtig wie Quecksilber durch die natürlichen
Kanäle des Körpers läuft; und wie ein saures Lab, in Milch
getropft, mit plötzlicher Gewalt gerinnen macht das leichte, reine
Blut.«
Es passte alles zusammen.
Auch Maxine und Dr. Sanderson waren schnell gestorben - ohne den Kampf,
den man erwarten würde, wenn eine Frau ertränkt oder ein Mann an
einem öffentlichen Ort erstochen wird. Was logisch wäre, wenn
sie bereits tot waren, als sie für ihre Rollen … was war das
passende Wort? Besetzt wurden? Verkleidet wurden? In Szene gesetzt wurden?
Jähe Wut erfasste mich. »Der Mörder hat bei Ros nicht
aufgehört.«
»So viel habe ich
mitbekommen«, sagte Sir Henry. »Es tut mir leid. Wenn es dir
nichts ausmacht, würde ich gern hören, was du weißt.«
Während die Stadt um uns
herum dichter wurde, brachte ich Sir Henry auf den neuesten Stand, Brief für
Brief, Tod für Tod, bis ich bei Dr. Sanderson war.
»Cäsar«,
sagte er
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