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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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sich?«,
     fragte Sir Henry.
    Erstaunt brach der Küster
     ab. »Bewegt sich was, Sir?«
    »Die Statue.«
    »Sir, die Statue ist
     aus Marmor. Wie sollte sie sich bewegen?«
    »Das haben Sie gesagt.«
    Der Küster runzelte die
     Stirn. »Warum sollte ich so was sagen?«
    »Keine Ahnung«,
     knurrte Sir Henry. »Sagen Sie uns einfach, wohin unser Freund sonst
     noch zeigt, außer auf ›Tempel‹, wenn er sich bewegt.«
    »Aber er bewegt sich
     nicht, Sir. Vielleicht bewegt sich die andere Statue. Aber wenn Sie sich für
     Tempel interessieren, kann ich Ihnen die Tempelkirche empfehlen, den Inner
     Temple und den Middle Temple« -er zählte an den Fingern mit -
     »und natürlich den Temple Bar, wobei sie den in die Paternoster
     Row verpflanzt haben. Dann gibt es noch die Freimaurertempel…«
    Ich unterbrach ihn. »Welche
     andere Statue?«
    Er runzelte die Stirn.
     »Es gibt nur eine. Im Haus der Unverbesserlichen.«
    »Bitte wo?« Sir
     Henry war kurz vor dem Explodieren.
    Der Küster räusperte
     sich, dann zitierte er: »Dem edelsten und unverbesserlichen Brüderpaar
     William, Graf von Pembroke, et cetera, und Philip, Graf von Montgomery, et
     cetera.« Er blinzelte uns gutmütig und zufrieden an. »Die
     Brüder, die die ersten Seiten von Mr Shakespeares First Folio
     attackieren. Der Graf von Pembroke - natürlich ein viel späterer
     -hat sich eine Kopie der Statue für seinen Landsitz anfertigen
     lassen.«
    Hinter ihm schwoll der Chor
     zum Nunc dimittis an: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden
     scheiden.
    Sir Henry packte den Küster
     und küsste ihn auf beide Wangen. »›Unvergleichlich‹,
     Sie unverbesserlicher Dummkopf«, jubelte er. »Dem
     Unvergleichlichen Brüderpaar.« In der Gemeinde drehten sich
     mehrere Köpfe zu uns um, doch Sir Henry ignorierte sie und tanzte um
     den Küster herum. »Sie attackieren die ersten Seiten nicht,
     mein Lieber. Sie dekorieren sie.«
    Als er den Küster
     endlich losließ, zerrte Sir Henry Ben und mich hinter sich her.
     »Wohin zeigt Pembrokes Statue?«, fragte er über die
     Schulter.
    Im Schatten der Grabmäler
     wurde der Küster rot. »Ich weiß es nicht, Sir. Ich habe
     sie nie gesehen.« Er zog einen zusammengefalteten Zettel aus der
     Tasche. »Aber ich hätte hier eine Kopie von meinem Gedicht…«
    Doch Sir Henry rauschte
     bereits davon. Als wir durch das Hauptschiff liefen, schwoll die Musik
     wieder an und hüllte uns mit ihren mächtigen Klängen ein.
     Draußen rannten wir die Stufen hinunter auf den Wagen zu.
    »Wilton House, Barnes«,
     verlangte Sir Henry. »Zum Sitz der Grafen Pembroke.«
    »Das war zu einfach«,
     sagte Ben nachdenklich, als der Wagen anfuhr.
    »Was haben Sie
     erwartet?«, gab Sir Henry zurück. »Die Palastwache oder
     die Beefeater?«
    »Poets’ Corner
     ist ein offensichtliches Anschlagsziel. Sie hätten jemanden zur
     Bewachung abstellen müssen.«
    »Haben sie aber nicht«,
     sagte Sir Henry. »Seien Sie froh. Vielleicht denkt Inspector
     Grimmiger, dass der Mörder nur an Büchern interessiert ist.
     Vielleicht denkt er, da Shakespeare nicht zu Haus ist, wie unser Freund es
     ausdrückt, zählt Westminster Abbey nicht. Vielleicht hat sein
     Vorgesetzter ihm kein grünes Licht gegeben.«
    »Oder es war doch
     jemand da, der uns jetzt auf der Spur ist«, sagte Ben.
    Ich drehte mich um. Die Türme
     der Kirche waren noch in Sicht. »Hast du jemanden gesehen?«
    »Noch nicht«,
     antwortete er.

 
    31
    Als wir den Londoner
     Stadtverkehr hinter uns gelassen hatten und in Richtung der kleinen Stadt
     Salisbury mit der großen Kathedrale fuhren, hatte Ben noch immer
     nichts Verdächtiges gesehen. Ich schlug mein Faksimile der First
     Folio Edition auf. Die Widmung kam direkt nach Shakespeares Porträt:
     
    DEM EDELSTEN
    UND
    UNVERGLEICHLICHEN
    BRÜDERPAAR
     
    »Die Unvergleichlichen«,
     sagte Sir Henry genüsslich.
    »Klingt wie Superhelden
     aus einem Comic«, bemerkte ich.
    William Herbert Graf von
     Pembroke und sein Bruder Philip Graf von Montgomery - »Will und Phil«,
     wie Ben zusammenfasste - waren zwei der großen Peers im jakobäischen
     England gewesen. Väterlicherseits stammten sie von einem der
     erfolgreichsten Häuser der neureichen Tudor-Aristokratie ab. Die
     Familie hatte ihren Aufstieg erst zwei Generationen zuvor begonnen, als
     Heinrich VIII. seine Sympathie für William Herbert bekundete, den Großvater
     der Brüder, einen herzhaften, temperamentvollen Waliser, der mit der
    

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