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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Computer-Rekonstruktion, wie sie ausgesehen haben könnte.« Sie
     ging an den Schreibtisch, der in einer Ecke stand, und kramte in einer
     Schublade herum. »Hier haben wir es.«
    Wir stellten uns um sie
     herum. Auf dem Photoshop-Ausdruck war der Großteil der Schrift blau.
     Die Wörter in Großbuchstaben waren rot, und jedes rote Wort -
     ›LEBEN‹, ›SCHATTENBILD‹, ›SCHAUSPIELER‹
     und ›BÜHNE‹ - hatte einen goldenen Buchstaben.
    »L-A-R-E«,
     buchstabierte ich die goldenen Lettern.
    »Woraus sich E-A-R-L
     ergibt«, sagte Mrs Quigley strahlend. »Für ›Earl‹
     - den Grafen natürlich. Die Familie hatte immer eine Vorliebe für
     Anagramme und Rätsel. Der Graf, der die Statue als Herzstück der
     Halle aufstellen ließ, ganz besonders. Leider war es nicht seine
     einzige Vorliebe.« Sie schüttelte den Kopf wie über ein
     ungezogenes Kind. »Er hat im Lotterbett ein Kind gezeugt. Als die Gräfin
     ihm die Erlaubnis verweigerte, das Kind auf einen der Familiennamen zu
     taufen, verdrehte er die Buchstaben von ›Pembroke‹ und gab
     dem armen Kind den Namen ›Reebkomp‹ mit auf den Weg. Mit dem
     Mittelnamen ›Retnuh‹ - die Mutter hieß Hunter.
     Wenigstens bekam der Kleine einen echten Vornamen, wobei ›Augustus‹
     schweres Gepäck für ein Kind ist, wenn Sie mich fragen.«
     Ihre Miene verfinsterte sich. »Manche unserer Führer lesen in
     der Inschrift R-E-A-L, das französische Wort für ›königlich‹.
     Aber die Grafen haben nie Anspruch auf den Thron erhoben. Und sie haben
     auch keine königlichen Allüren - zumindest nicht verglichen mit
     …«
    »LEAR«, platzte
     ich heraus. »Es kann auch ›Lear‹ heißen.«
    »Oh«, sagte Mrs
     Quigley. Ihr Schweigen klang wie das Platzen einer Blase. »Das
     stimmt. LEAR. König Lear. Darauf bin ich gar nicht gekommen.«
    Sir Henry bedrängte die
     arme Frau von der anderen Seite. »Besitzt der Graf eine First Folio?«
    Sie sah ihn erschrocken an.
     »Darüber darf ich nicht sprechen. Sie haben sicher von den jüngsten
     Ereignissen gehört. Aber der Archivar kann Ihnen weiterhelfen, wenn
     Sie unter der Woche anrufen.«
    »Gibt es kein -«,
     begann Sir Henry.
    »Er zeigt auf ›SCHATTENBILD‹«,
     flüsterte Ben in mein Ohr.
    Als ich Shakespeare ansah,
     verstand ich, was er meinte. In einem Buch ergab es keinen Sinn. Aber in
     der Kunst.
    »Gibt es hier Gemälde
     von König Lear?«, fragte ich. »Oder Skulpturen? Szenen
     aus Shakespeare-Stücken?«
    Mrs Quigley schüttelte
     den Kopf. »Ich glaube nicht…, außer dieser Statue natürlich.
     Warten Sie … Nein. Wir haben Gemälde von mythologischen Szenen
     - ›Dädalus und Ikarus‹ natürlich, und ›Leda
     und der Schwan‹ Aber die einzigen Bilder, die mit Literatur zu tun
     haben, illustrieren Sir Philip Sidneys Werk, nicht das von Shakespeare.«
    Ich wurde hellhörig.
     »Welche von Sidneys Werken?«
    »›Arkadien‹.
     Ein Buch, das er für seine Schwester schrieb, als er hier war.
     ›Das Arkadien der Gräfin von Pembroke‹, lautet der
     vollständige Titel.«
    »›Arkadien‹
     war eine der Quellen für ›König Lear‹«,
     murmelte ich und sah Sir Henry an. »Die Geschichte des alten blinden
     Mannes, der von seinem bösen unehelichen Sohn ruiniert und schließlich
     von seinem guten - ehelichen - Sohn gerettet wird.«
    »Der Gloucester-Plot«,
     flüsterte Sir Henry.
    Mrs Quigley sah verwirrt von
     einem zum anderen.
    »Wo befinden sich diese
     Gemälde?«, fragte Ben.
    »Es gibt eine ganze
     Serie im Single Cube Room - einem der palladianischen Zimmer, die Inigo
     Jones entworfen hat. Nicht ganz so alt wie Shakespeare, aber beinahe. Sie
     wurden noch von Philip, dem vierten Grafen, in Auftrag gegeben.«
    Einem der Unvergleichlichen.
    »Führen Sie, gute
     Quigley«, sagte Sir Henry majestätisch, »führen Sie.« 
    Wir folgten ihr durch den
     Kreuzgang, vorbei an Kaisern, Göttern und Grafen in klassischem
     Marmor. Als sie uns auf der anderen Seite des Hofs in ein kleinen Raum führte,
     der mit kostbaren kleinen Gemälden vollgehängt war, drifteten
     durch die schimmernden Fenster Bläserklänge herein, gefolgt von
     den zarten Modulationen der Streicher. Mendelssohns ›Sommernachtstraum‹.
    Eilig liefen wir durch immer
     prunkvollere Zimmer, bis wir schließlich einen Saal erreichten, der
     nicht Königen, sondern Kaisern gerecht geworden wäre. Im warmen
     Licht schienen die blassen Wände zu schwanken unter all der Pracht
     von Waffen, Buketts,

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