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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Also mussten sie zur gleichen
     kleinen Welt gehören.
    Ros hatte immer gesagt,
     Bedeutung ließe sich nur durch Kontext erschließen. Welche Art
     Kontext war die Miniatur für den Brief? Oder der Brief für die
     Miniatur?   
    Die Miniatur mit dem Kruzifix
     war eindeutig katholisch. In dem Brief schien es um die First Folio
     Edition zu gehen. Was hatte beides miteinander zu tun?
    »Es gibt eine
     Verbindung«, sagte ich frustriert. »Aber ich kenne mich zu
     wenig mit Religionsgeschichte aus, um sie zu erkennen.«
    »Vielleicht ist es
     Zeit, einen Experten zu konsultieren«, schlug Sir Henry vor.
    »Ich kenne keinen«,
     erklärte ich.
    »Am besten wäre
     jemand, der sich mit Religion und mit Shakespeare auskennt«, sagte
     Ben. Er sah mich durchdringend an, und dann fiel es mir ein. Im Programm
     der Konferenz in der Folger-Bibliothek hatten wir beide den Titel von
     Matthew Morris’ Referat gelesen. ›Shakespeare und die Feuer
     des geheimen Katholizismus‹.
    »Ihn will ich nicht
     anrufen«, sagte ich bestimmt.
    Sir Henry horchte auf.
     »Wen anrufen?«
    »Matthew Morris«,
     sagte ich. »Professor Matthew Morris.«
    »Der wahrscheinlich zu
     gerne helfen würde«, sagte Ben.
    »Aha«, sagte Sir
     Henry. »Ich kann es mir schon vorstellen. Hat der arme Mann sonst
     noch etwas Fürchterliches getan, außer sein Interesse an dir zu
     bekunden?«       
    »Er geht mir auf die
     Nerven«, sagte ich wenig überzeugend. »Ros ist er auch
     auf die Nerven gegangen.«
    »Manchmal, meine Liebe«,
     sagte Sir Henry, »bist du wirklich eine arrogante Ziege.« Er
     hielt mir sein Handy hin. »Wenn der Mann uns helfen kann, ruf ihn
     an.«
    »Nimm meins«,
     sagte Ben. »Ist schwerer zurückzuverfolgen.«
    »Ros wäre dagegen«,
     sagte ich grimmig.
    »Ros wäre dagegen,
     dass ihr Mörder ihren Schatz in die Finger bekommt«, gab Ben
     zurück. Er stellte den Lautsprecher an seinem Black-Berry an, und ich
     kramte Matthews Karte heraus und tippte die Nummer ein.
    Nach dem zweiten Klingeln war
     Matthew dran. »Kate«, sagte er verschlafen. Und dann hörte
     ich, wie er sich im Bett aufsetzte. »Kate?Wo bist du? Geht es dir
     gut?«
    »Ja, es geht mir gut.
     Was kannst du mir über den Satz ›Ad Maiorem Dei Gloriam‹
     sagen?«
    Er klang schrill. »Du
     bist auf der Flucht und willst, dass ich Latein übersetze?«
    »Ich weiß, was es
     heißt. ›Zur größeren Ehre Gottes‹. Ich weiß
     nur nicht, was es bedeutet.«
    »Erzählst du mir,
     worum es geht?«
    »Du hast gesagt, ich
     soll anrufen, wenn ich deine Hilfe brauche. Jetzt rufe ich an.« 
    Einen Moment lang war es
     still in der Leitung. »Es ist das Motto der Jesuiten.«
    Ich wollte etwas sagen, doch
     ich bremste mich. Die Soldaten Christi. Fromme, oft übereifrige
     Priester, die England zurück in den Schoß der katholischen
     Kirche bringen wollten.
    Matthew fuhr fort. »Die
     Schreckgespenster der Cecils und des ganzen Rests von Elisabeths und
     Jakobs Ratgebern, von denen sie als Verräter gebrandmarkt wurden. Ein
     unbequemer Titel, doch die Jesuiten trugen ihn mit der Geduld von
     Heiligen. Buchstäblich. Ich glaube, etwa zehn sind Heilige, nachdem
     sie wegen ihres Glaubens gehängt, ertränkt und gevierteilt
     wurden.«
    »Jesses«, sagte
     ich.
    »Genau«, sagte
     Matthew. »Die Gesellschaft Jesu.«
    Auf dem Medaillon wurde der
     junge Mann von Flammen umlodert.
    »Im Kontext dieses
     Mottos«, sagte ich, und versuchte dabei möglichst gelassen zu
     klingen, »wie würdest du diesen Satz deuten?« Ich las die
     schnörkeligen, in verblasster, braun gewordener Tinte geschriebenen
     Worte vor: Vnd so nehme ich die Pflicht auff mich, an St. Alban zu
     schreiben vnd vnser Schweigen zu entschuldigen.
    »Normalerweise hätte
     ich an Francis Bacon gedacht«, sagte Matthew. »Aber in
     Verbindung mit dem Jesuitenmotto drängt sich Valladolid auf.«
    »Spanien?«
    »Ja, Spanien.«
     Matthew gähnte, dann begann er zu dozieren. »Valladolid, die
     älteste Hauptstadt Kastiliens, ist Sitz des Royal English College,
     das im späten 16. Jahrhundert vom spanischen König Philipp II.
     gegründet wurde, um junge Engländer zu Priestern ausbilden zu
     lassen. Die meisten Priester schlossen sich dem Jesuitenorden an und
     wurden undercover zurück nach England geschickt, damit sie sich im
     Verborgenen um die Gläubigen kümmerten. Die englische Regierung
     behauptete, die Jesuiten würden außerdem loyale Bürger
     dazu verführen, blutige

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