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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Attentate gegen die protestantischen
     Herrscher auszuhecken, weil sie sich mit Gewalt nehmen wollten, was sie
     durch Überredungskünste nicht erlangen konnten. In England hielt
     man das Kollegium für so etwas wie ein Trainingscamp für religiöse
     Terroristen.«
    »Aber was hat das mit
     St. Alban zu tun?«
    »Der volle Name lautet:
     Royal English College of St. Alban.«
    Einen Moment herrschte
     Schweigen. Ich griff nach dem Telefon und stellte den Lautsprecher ab.
     »Ich schulde dir was, Matthew.«
    Er schwieg. Dann sagte er
     leise: »Du weißt, was ich will.«
    »Ja«, sagte ich.
     Gib mir eine Chance, hatte er gesagt. »Gott weiß, du hast es
     verdient.« Dann legte ich auf.
    Ich warf Ben das Handy zu,
     der sich auf dem Bett ausgestreckt hatte und mit einem irritierend
     wissenden Lächeln an die Decke starrte.
    »Glaubst du, das ist
     es?«, fragte Sir Henry. »Valladolid? Ist das nicht ein
     bisschen weit hergeholt?«
    Als ich mich an den
     Schreibtisch setzte, war ich plötzlich furchtbar müde. »Es
     gibt noch andere Verbindungen vom Royal English College zu Shakespeare.
     Zwei. Wollt ihr zuerst die plausible oder die unplausible hören?«
    »Ich bin dafür,
     dass wir uns von der verrückten zur vernünftigen Vorarbeiten«,
     sagte Ben und faltete die Hände hinter dem Kopf.
    »Christopher Marlowe.«
     Ich strich durch mein zu kurzes Haar. »Gottlos, schwul, gefeiert -
     das Enfant terrible des elisabethanischen England. Liebling der Bühne
     - bis Shakespeare auftaucht.«
    »Und er bei einer
     Kneipenprügelei stirbt, als ihm jemand einen Dolch ins rechte Auge stößt«,
     sagte Ben.
    Ich nickte. »1595, als
     gerade Shakespeares Blütezeit beginnt. Ja, genau der Marlowe. Wobei
     es vielleicht nicht bloß eine zufällige Kneipenprügelei
     war - denn Marlowe arbeitete außerdem als Spion der Krone. Unter
     anderem wurde er mit dem Auftrag nach Holland geschickt, eine Gruppe
     englischer Exil-Katholiken zu infiltrieren, die unter dem Verdacht
     standen, eine Revolte zu planen. Schlüssige Beweise sprechen dafür,
     dass seine Saufkumpane ebenfalls Spione waren und dass die Kneipe als
     sicherer Unterschlupf galt.«
    »Nicht sicher für
     Marlowe«, stellte Ben fest.
    Ich legte die Füße
     auf den Tisch. »Weniger schlüssige Beweise sprechen dafür,
     dass er nicht an jenem Abend starb. Er entkam - oder wurde ins Ausland
     geschickt. Nach Spanien.«
    »Pah!«, rief Sir
     Henry aus seinem Sessel.
    Ben wurde leiser. »Nach
     Valladolid?«
    Ich nickte. »Im Jahr
     1599 ist im Register des Kollegs die Ankunft eines Mannes namens John
     Matthews oder Christopher Morley verzeichnet … Morley ist eine
     Variante von Marlowe, die der Dramatiker gelegentlich verwendete, und John
     Matthews war ein verbreiteter, wenn auch kein origineller priesterlicher
     Deckname - nach den Evangelisten Johannes und Matthäus.« Ich
     schüttelte den Kopf. »Wer er auch war, der Mann wurde 1603 zum
     Priester ordiniert und kehrte nach England zurück, wo man ihn fasste
     und ins Gefängnis sperrte. Das Seltsame ist, dass in einer Zeit, in
     der die Gefangenen für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen
     mussten, wenn sie nicht hungers verrecken wollten, ausgerechnet Robert
     Cecil, einer der höchsten Minister des Königs, Morleys
     Rechnungen bezahlte. Woraus man schließen könnte, dass Morley für
     die Regierung arbeitete.
    Am einfachsten ließe
     sich der Morley aus Valladolid erklären, indem man sagt, beide Namen
     waren Decknamen - der eine aus den Evangelien, der andere von einem Toten
     geborgt -, möglicherweise, weil der Priester ein englischer Spion
     war.«
    »Die gerade Linie
     zwischen zwei Punkten«, sagte Ben. »Und was wäre die -
     wie hast du zu Athenaide gesagt? - die windige Spritztour eines …«
    »Eines betrunkenen
     Junikäfers«, vervollständigte ich. »Es gibt Leute,
     die glauben, der Grund, weshalb sich nicht beweisen lässt, dass
     Shakespeare vor 1593 etwas geschrieben hatte, sei der, dass er bis 1593
     unter seinem richtigen Namen schrieb: Christopher Marlowe.«
    Mit einem verächtlichen
     Schnauben sprang Sir Henry aus dem Sessel und drehte eine Runde durchs
     Zimmer.
    »Ich habe ja gesagt,
     dass es verrückt ist«, sagte ich. »In diesem Szenario wäre
     Teil der Abmachung, dass Cecil nach Marlowes Verschwinden dafür
     sorgt, dass seine Stücke in London weiterhin aufgeführt werden.«
    »Also geht ›Shakespeare‹
     nach Valladolid.« Während wir sprachen, surfte Ben mit

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