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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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seinem
     Handy im Internet.
    »Genau.«
    »Und was ist die zweite
     Verbindung, die vernünftige?«, fragte Sir Henry, der immer noch
     im Zimmer auf und ab ging.
    »Cervantes.«
    Sir Henry blieb wie
     angewurzelt stehen.
    »Vielleicht hat er
     Shakespeares Stücke geschrieben«, sagte Ben trocken.
    Ich warf ihm einen finsteren
     Blick zu. »Es gibt tatsächlich Leute, die das glauben. Andere
     glauben, Shakespeare hätte ›Don Quixote‹ geschrieben.«
    »Und bestimmt gibt es
     Leute, die glauben, er sei als Einstein wiedergekehrt und habe die
     Relativitätstheorie entwickelt«, warf Sir Henry ein. »Warum
     geben wir ihm nicht auch noch ›Krieg und Frieden‹, die
     ›Ilias‹ und die Bibel, wo wir gerade dabei sind?«
    »Bleiben wir eine
     Minute bei Shakespeare als Shakespeare«, begann ich.
    »Wie originell«,
     sagte Sir Henry.
    »Wir reden gar nicht
     mehr von ›Cardenio‹, aber das Stück gehört immer
     noch zur Geschichte«, fuhr ich fort. »Und man könnte
     sagen, dass Cardenio aus Valladolid stammt. Als Philipp III. den gesamten
     spanischen Hof von Madrid nach Valladolid verlegte, kam Cervantes mit. Es
     war in Valladolid, wo er 1604 den ersten Teil von ›Don Quixote‹
     fertigstellte und den zweiten Teil begann.«
    Keiner rührte sich. Ich
     strich über den Brief. St. Alban.
    »Im gleichen Frühjahr
     schickte der neue König Jakob I. eine Gesandtschaft nach Spanien, um
     einen Friedensvertrag auszuhandeln. Der Graf von Nottingham - ein Howard -
     brachte ein Gefolge von vierhundert Engländern mit nach Valladolid,
     die ein tiefes Interesse für alles Katholische hegten und lernten,
     sich ebenso sehr für alles Spanische zu interessieren. Literatur und
     Theater eingeschlossen. Und Religion. In manchen Lagern fürchtete
     man, dass die Jesuiten sein Gefolge korrumpieren würden und dass die
     jungen Männer eines Tages unter Umständen zurückkehrten,
     die man in England wenig erfreulich fände.«
    Der junge Mann mit dem
     Kruzifix blickte herausfordernd aus seinem Porträt. Ad Maiorem Dei
     Gloriam.   
    »Falls der goldene Jüngling
     nach Valladolid ging, um sich dem Jesuitenorden anzuschließen, hatte
     er die Möglichkeit, Shakespeare von Cervantes’
     Cardenio-Geschichte zu berichten. Oder einem seiner Wohltäter. Vielleicht den
     Howards. Es würde erklären, warum ›Will‹ sich bei
     St. Alban für das Fehlen des spanischen Stücks in der First
     Folio entschuldigen muss.«
    Ben setzte sich auf dem Bett
     auf. »Es würde auch erklären, wie das Manuskript eines
     englischen Stücks im Grenzgebiet zwischen Arizona und New Mexico
     landen könnte.«
    Ich drehte mich um.
    »Im siebzehnten
     Jahrhundert gehörte die Gegend zum nördlichen Teil von
     Neuspanien. Regiert und erschlossen von spanischen Konquistadoren.«
    »Die spanische Priester
     im Gefolge hatten«, sagte ich.
    »Oder zumindest
     Priester aus Spanien.«
    »Vielleicht war auch
     ein englischer Priester darunter«, sagte Sir Henry.
    Hinter den goldenen Locken
     des Jünglings loderten die Flammen. Ich dachte an die Worte, die in
     verblasster Tinte in dem Brief standen: Vnd so nehme ich die Pflicht auff
     mich, an St. Alban zu schreiben vnd vnser Schweigen zu entschuldigen.       
    Ben sah von seinem
     Black-Berry auf. »Bei Ryanair gibt es zwei Direktflüge täglich.
     Von London nach Valladolid.«
    Wir buchten drei Plätze
     in der Morgenmaschine.

 
    35
    Ich habe mit Seiner Exzellenz
     dem Erzbischof von Westminster gesprochen«, verkündete Sir
     Henry, als er am nächsten Morgen wieder vor unserer Tür stand.
     »Um elf empfängt mich der Rektor von St. Alban.«
    »Nur dich?«,
     fragte ich.
    »Möglicherweise
     habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich mit zwei Begleitern reise«,
     sagte Sir Henry. »Aber ich vertraue darauf, dass der Rektor flexibel
     ist.«
    Am Flughafen Stansted im
     Nordosten von London wurde mein Pass nicht zweimal angesehen, trotz der
     wachsenden Anzahl von Wasserflecken und Knitterfalten. Dafür wurde
     Sir Henry von dem Sicherheitsbeamten beäugt, doch nachdem er ihm
     leutselig zuzwinkerte, gelang es dem Beamten, diskret zu bleiben. Sonst
     erkannte ihn niemand. Er hinkte durch den Flughafen wie ein müder
     alter Mann, und die anderen Passagiere würdigten ihn kaum eines
     Blickes. Wir zwängten uns in die knallig blaugelbe Maschine von
     Ryanair, die sich kurze Zeit später in die Lüfte erhob.
    Durchs Fenster sah ich zu,
     wie wir die Pyrenäen überflogen und über der

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