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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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William Herbert Graf von Pembroke zum Beispiel. Der
     Ältere der Unvergleichlichen. Zum anderen der goldene Jüngling
     aus den Sonetten.«
    »Und William Turner«,
     bemerkte Ben mit einem Blick zu mir. »Aber wenn Shakespeare der
     Schwan ist«, wandte er ein, »müsste der Brief nicht
     eigentlich bei seinen Papieren gelandet sein? Was macht er in Wilton
     House?«
    Die Zahnräder in meinem
     Gehirn schienen sehr langsam zu arbeiten. Immer wieder tauchte das Gesicht
     der toten Mrs Quigley vor mir auf. Hinter uns schwärmten die Sirenen
     in Wiltshire aus, und irgendwo da draußen war der Mann, der Mrs
     Quigley erdrosselt und mit Federn geschmückt hatte. »Es gibt
     noch einen Kandidaten für den süßen Schwan«, sagte
     ich mit belegter Stimme. »Jemand, der rechtfertigen würde, dass
     wir den Brief in Wilton House gefunden haben … Mary Sidney. Die Gräfin
     von Pembroke. Die Mutter der Unvergleichlichen.«
    Sir Henry schnaubte, doch ich
     ignorierte ihn. Ich hielt die Papiere fest auf meinem Schoß, als könnten
     sie sich mit einem Lidschlag in Luft auflösen. Heute Abend war eine
     Frau wegen dieses Briefes gestorben. Das Ganze musste einen Sinn ergeben.
     Das musste es einfach. »Nach dem Tod ihres Bruders behielt die Gräfin
     den Namen Sidney und das offizielle Symbol der Sidneys: die Pfeilspitze,
     manchmal auch Speerspitze genannt. Doch sie behielt auch Philips persönliches
     Emblem: den Schwan. Der ihm von den belagerten Protestanten in Frankreich
     gewidmet worden war, die Philip verehrten …« Ich sah auf, und
     Sir Henrys Augen bohrten sich in meine. »›Sidney‹,
     französisch ausgesprochen, klingt so ähnlich wie ›cygne‹.«
    »Französisch für
     ›Schwan‹«, sagte Ben.
    »Französisch für
     ›vollkommen absurd‹«, knurrte Sir Henry.
    Der Wagen wurde langsamer.
     Wir waren einen weiten Bogen gefahren, und jetzt hatten wir wieder die
     Hauptstraße nach London erreicht. Wir fädelten uns in den
     Verkehr nach Osten ein.
    »Vielleicht absurd«,
     sagte ich, »aber es gibt einen Porträtstich der Gräfin von
     Pembroke im Alter, eine Ehrung ihrer literarischen Leistungen. Sie trägt
     eine breite Halskrause, in deren Spitze wieder und wieder der Umriss eines
     Schwans auftaucht.«
    »Es ist aber das Flüsschen
     Nadder, dessen Wasser ihr mir hier auf meine Ledersitze tropft, nicht der
     Avon«, widersprach Sir Henry. »Der Avon fließt durch
     Stratford, in Warwickshire.«
    »Avon ist das
     walisische Wort für ›Fluss‹«, entgegnete ich.
     »In England gibt es viele Avons. Ein Avon fließt durch
     Salisbury. Und im siebzehnten Jahrhundert, als die zu Wilton House gehörigen
     Ländereien größer waren als heute, floss dieser Avon durch
     das Land der Pembrokes.« Ich schüttelte den Kopf. »Es
     gibt sogar ein Dorf namens Stratfordsub-Castle hier in der Nähe.
     Direkt am Avon.« Ich stützte den Kopf in die Hände.    
    »Ich schätze, das
     ist noch nicht alles«, sagte Ben.
    Ich nickte. »Außerdem
     schrieb die Gräfin. Vor allem ihre Übersetzung der Psalmen in
     englische Versform machte sie berühmt. Aber sie schrieb auch fürs
     Theater.«
    Es entstand eine Pause.
    »Sie hat Stücke
     geschrieben?«, fragte Ben ungläubig.
    »Ein Stück. Ein
     Kammerspiel, das mehr für private Lesungen unter Freunden gedacht
     war, nicht so sehr für echte Schauspieler auf der Bühne.«
     Ich sah auf. »Sie schrieb ›Die Tragödie von Antonius‹,
     die erste englische Theaterversion der Geschichte von Antonius und
     Kleopatra.«
    »Antonius -«,
     rief Ben, doch Sir Henry schnitt ihm das Wort ab.
    »Willst du sagen, Mary
     Sidney war Shakespeare?«
    »Nein«,
     entgegnete ich gereizt. »Ich habe mich nicht plötzlich in Delia
     Bacon verwandelt. Aber ich finde, wir sollten die Möglichkeit in
     Betracht ziehen, dass Mary Sidney Gräfin von Pembroke vielleicht der
     süße Schwan aus diesem Brief ist.« Ich seufzte. »Und
     ich finde, wir sollten versuchen, aus dieser Möglichkeit logische
     Schlüsse zu ziehen.       
    In dem Brief geht es ganz
     offensichtlich um die First Folio Edition, was bedeutet, dass er 1623 oder
     früher geschrieben worden sein muss, Und falls wirklich die Gräfin
     der süße Schwan war, der die Veröffentlichung
     beschleunigen wollte, muss der Brief vor September 1621 geschrieben worden
     sein, denn in dem Jahr ist sie an den Pocken gestorben.«
    »Worauf es ihren Söhnen
     oblag, die Folio zu finanzieren«, sagte Ben.
    »Was uns zurück

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