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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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bis auf einen wichtigen Punkt: Es
     fehlt eine Verbindung zu Shakespeare.«
    »Bis jetzt«,
     sagte Ben.
    Ich betrachtete das
     Derby-Wappen mit dem Adler und dem Kind auf dem Einband. Das hier war eine
     Verbindung. Ein beweiskräftiger Hinweis. Aber wofür?
    Ein Piepsen signalisierte,
     dass der Kopierer betriebsbereit war. Seufzend legte ich das Buch mit dem
     Einband auf das Glas und drückte den Knopf.
    In dem Moment, als das Licht
     den Ledereinband abzutasten begann, flog die Tür auf und der Rektor
     stürmte herein. Er schlug die Tür hinter sich zu, dann baute er
     sich mit verschränkten Armen vor uns auf wie ein Kreuzritter aus dem
     Mittelalter, der mit dem Schwert ebenso gewandt war wie mit dem Kruzifix.
     Im Augenwinkel sah ich, wie Ben kaum merklich zur Tür aufrückte.
    »Sie sind nicht ganz
     ehrlich gewesen«, donnerte der Rektor und streckte die Hand nach dem
     Buch aus. »Der Erzbischof hat mir berichtet, dass jemand über
     die Kontinente hinweg First-Folio-Ausgaben in Brand steckt. Und auch vor
     Mord nicht zurückschreckt.«
    Widerwillig gab ich ihm die
     Folio zurück. »Jemand brandschatzt und mordet«, sagte ich
     leise, »doch wir sind es nicht.«
    Sein Blick glitt über
     den Kopierer. »Nein. Sie machen hier nur unerlaubt Kopien. Was
     Diebstahl ist. Wonach suchen Sie?«
    »Nach Shakespeare«,
     antwortete ich. So viel war wahr.
    »In diesem Buch?«
    »Mit seiner Hilfe«,
     sagte Sir Henry.
    »Dann haben Sie die
     Widmung also entschlüsselt?«
    Ich sah auf. Kurz vor der Tür
     blieb Ben stehen.
    »Welche Widmung?«,
     fragte ich. Was hatte ich übersehen?
    Monsignor Armstrong sah jeden
     von uns einzeln an. »Wenn ich sie Ihnen zeige«, sagte er zögernd,
     »werden Sie mich über alles informieren, was Sie über
     Pater Shelton herausfinden.« Es war nicht als Frage gemeint, wie mir
     klar wurde; der Rektor setzte einen Preis fest. 
    »Falls ich verstehe,
     was ich sehe«, sagte ich gepresst.
    Einen Moment lang ruhte sein
     Blick auf mir. Ich spürte, wie er sein Misstrauen gegen seine Neugier
     abwog. Dann nickte er kurz und ging an den Tisch, wo er das Buch
     aufschlug. Er zog die Innenseite des Einbands ab, und erst jetzt sah ich,
     dass man irgendwann eine Schutzhülle über das Original geklebt
     hatte.
    Auf der Seite darunter war in
     verblichener brauner Tinte eine Zeichnung zu sehen. Eine monströse
     Kreatur mit dem langen Hals und Kopf eines Schwans,
     ausgebreiteten Adlerschwingen, die sich zu Schweineköpfen verjüngten,
     und den Klauen und dem Schwanz eines Adlers. In einer Kralle trug sie ein
     Kind in einem Korb, in der anderen einen Speer.
    Ich sank auf einen Stuhl.
    »Das schimärische
     Tier«, flüsterte Sir Henry ehrfurchtsvoll.
    »Der Adler, der Schwan,
     der Keiler und der Eber«, sagte Ben. »Der Graf von Derby -
     Will. Lady Pembroke - der süße Schwan. Der Graf von Oxford -
     der Keiler, und Francis Bacon - der Eber.«
    »Und noch jemand«,
     sagte ich leise und zeigte auf die Krallen. »Die Kralle mit dem Kind
     - sie gehört zum Adler der Derbys. Aber die mit dem Speer - ich
     glaube, die soll zu einem Falken gehören.«
    »Shakespeares Wappen«,
     sagte Sir Henry. »Der Falke mit der Lanze.«
    Miß Bacon hatte Recht -
     Recht und nochmals Recht… Als würde jemand an einem
     Kaleidoskop drehen, begann das Muster, das ich zu kennen meinte, sich zu
     verschieben und zu drehen; und ich war mir nicht sicher, ob ich das Bild
     sehen wollte, das vor meinen Augen entstand. »Sie haben alle
     gemeinsam dahintergesteckt«, sagte ich langsam.
    »Wohinter?«,
     fragte der Rektor.
    »Hinter der Entstehung
     dieses Buchs«, sagte Sir Henry.
    Ich schüttelte den Kopf.
     Was hatte Will geschrieben: Etwas von den Wolkenschlößern -
     oder wie Ihr sie zu nennen pflegt, vom Tand vnd Spielwerck die vnser chimärisches
     Thier einst herauffbeschworen, sollte doch nicht ganz von den Schatten der
     Gierigen Nacht verschlungen werden. Waren sie zusammengekommen, um die Stücke
     in Auftrag zu geben und dann zu veröffentlichen? Oder hatten sie noch
     mehr dazu beigetragen?
    Unter die Schimäre hatte
     jemand in feiner Hand vier Verse eines Sonetts geschrieben. Sir Henry las
     die Zeilen vor: 
    »Sei mit dem Leib
     mein Name eingesargt
    Und lebe dir und mir zur
     Schande nicht!
    Denn mich beschämt,
     was ich auf Erden schrieb,
    Und dir wär’s
     Schmach, wär’ dir so Schlechtes lieb.« 
    Die Schrift glich der Hand,
     die den Brief an den süßen Schwan geschrieben und

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