Die Shakespeare-Morde
spöttischen Lächeln. »Aber nicht
Shakespeare.«
Monsignor Armstrong lachte in
sich hinein. »War mein Verdacht so offensichtlich? Sie glauben gar
nicht, was für schräge, beharrliche Fragen wir hier bekommen
… Haben Sie auch den Nachnamen?«
»Nein«, sagte
ich.
»Ein Datum?«
»Kein genaues. Doch er
muss gegen 1621 hier gewesen sein. Wir glauben, dass er nicht nach England
zurückgekehrt ist.«
»Gottes Werk kann an
vielen Orten vollbracht werden.«
»Vielleicht ging er in
die Neue Welt. Nach Neuspanien«, sagte Ben.
»Das wäre ungewöhnlich
für einen Engländer.« Er sah sich die Miniatur noch einmal
an. »Vor allem für einen Jesuiten, worauf das Motto deutet
… Doch das alte Kollegregister könnte uns weiterhelfen. Kommen
Sie mit mir.«
Er führte uns aus der
Kirche hinaus, zurück durch das Labyrinth der gefliesten Korridore,
vorbei an einem Hof mit Olivenbäumen, der in der Sonne briet.
Irgendwann blieb er vor einer verriegelten Tür stehen. Der Rektor
schloss auf, und ich blickte in eine blassgrüne Bibliothek mit in
Leder gebundenen und vergoldeten Büchern, die die gesamte Wand vor
uns einnahmen.
Aus einem der Regalfächer
nahm der Rektor ein schweres blaues Buch. Eine Druckausgabe, kein
Original. Es schien in Latein zu sein. Er überflog die Seiten, bis er
bei 1621 war, dann ging er mit seinem dicken Finger langsam die Einträge
durch. Einmal hielt er inne, dann suchte er weiter. »Dachte ich mir.
Es gibt nur einen Mann, der auf Ihre Beschreibung passt. Sein Name war
William Shelton.«
Der Name kam mir bekannt vor.
»Es war ein Shelton, der ›Don Quixote‹ zum ersten Mal
ins Englische übertrug«, sagte ich.
»Sie haben Ihre
Hausaufgaben gemacht«, lobte der Rektor. »Das wäre
Williams Bruder Thomas. Auch wenn seit Langem gemunkelt wird, William hätte
die Übersetzung selbst angefertigt und sie nur deshalb seinem Bruder
zugeschrieben, damit sie veröffentlicht werden konnte. Als Jesuit war
William in England Persona non grata, wie Sie wissen. Auf jeden Fall hatte
William Zugang zum ›Quixote‹, und er sprach Spanisch.«
»Stand er irgendwie mit
den Howards in Verbindung?«, fragte Ben.
»Der Graf von
Northampton half ihm, hierherzukommen, und er verbürgte sich für
ihn. Das war damals nötig, bei all den Spionen.«
»Ein Howard half ihm,
hierherzukommen?«
»Ist das wichtig?«
»Vielleicht. Hat er
irgendwelche Papiere oder Briefe hinterlassen?«
Monsignor Armstrong schüttelte
den Kopf. »Ich fürchte, die Priester durften ihre Briefe
behalten. Wir haben jedenfalls nichts in unserem Archiv.« Er sah
mich bohrend an. »Ein wenig Kompetenz können Sie uns zugestehen. Hätten wir
hier eine schriftliche Nachricht von Shakespeare, dann wüssten wir
es, glaube ich.«
»Falls die Nachricht
eindeutig von ihm war«, entgegnete ich. »Aber sicher benutzten
auch die Korrespondenten Decknamen, wie Ihre Priester. Wohin ging Shelton
von hier?«
»Er hatte die
Erlaubnis, sein Jesuitengelübde zurückzunehmen und sich den
Franziskanern anzuschließen. 1626 wurde er nach Neuspanien geschickt
- nach Santa Fe - mit Fray Alonso de Benavides. Er verschwand.
Wahrscheinlich ist er bei einer Reise durch die Wildnis im Südwesten
von Santa Fe Indianern in die Hände gefallen und starb den Märtyrertod.«
Mir lief ein Schauer über
den Rücken.
»Aber wir haben ein
Buch, das Pater Shelton gehört hat«, sagte der Rektor. »Nicht
viele wissen davon, aber ich glaube, Sie sollten es sich ansehen.«
Er ging in die hinterste Ecke der Bibliothek und zog ein großes, in
rotes Kalbsleder gebundenes Buch aus dem Regal. Dann schlug er es auf und
reichte es mir.
»Mr William
Shakespeares Comödien, Historien und Tragödien«., las ich.
»Publicirtgetreu den wahren originalen Copien.« Darunter
schwebte Shakespeares blasser Eierkopf über dem Teller seiner
Halskrause. Ich hielt eine First Folio Edition in der Hand.
»Das jakobäische
Magnum opus«, sagte Ben und pfiff durch die Zähne.
Der Rektor nahm mir das Buch
wieder aus der Hand und klappte es zu. Ich sah ihn irritiert an. War das
alles, was er mir zeigen wollte?
»Ich dachte, der
Einband interessiert Sie«, sagte er.
Sir Henry und Ben drängten
sich hinter mich. In das Leder war ein goldenes Wappen geprägt, ein
Adler, der ein Kind in den Krallen trug. Plötzlich schien das Buch in
meinen Händen zum Leben
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