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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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gewesen. Jetzt, draußen im Pavillon, belauschte sie, wie die
     Freunde des Fürsten ihn zu überreden versuchten, keine
     Dummheiten zu machen. Der Graf von Essex, Frances’ gehörnter
     Ehemann und Jugendfreund des Fürsten, trat ins Fackellicht und führte
     ein Pferd mit klingelndem Zaumzeug herbei. »Seid so wütend Ihr
     wollt. Aber gebt nicht Frances allein die Schuld. Sie stammt aus einer
     Familie von Schlangen. Wahrscheinlich hat sie nur getan, was man ihr
     auftrug.«       
    Der Fürst stieg auf.
     »Wenn ich König bin«, sagte er wütend, »sorge
     ich dafür, dass keiner von ihnen miterlebt, wie er noch mal gegen
     eine Mauer pisst.« Dann gab er dem Pferd die Sporen und galoppierte
     davon. Eilig folgten ihm die anderen.
    Die Frau wartete, bis die
     Nacht leer geworden war, bevor sie aus dem Schatten trat. Doch kaum stand
     sie im Freien, hörte sie ein Knacken hinter sich. Sie wirbelte herum.
     Ein zweiter Lauscher war aus dem Schatten ins Fackellicht getreten. Ein
     weißhaariger Mann mit kurzem weißen Bart und kalten, glänzenden
     Augen. Der Graf von Northampton, das Oberhaupt des Howard-Clans.
    Sie erstarrte. Er hatte sich
     mit dem König und der Königin zurückgezogen; darauf hatte
     sie geachtet. Wie konnte es sein, dass er wieder hier war?
    »Mylady«, sagte
     er und führte sie zitternd zurück zur Tanzfläche. »Haben
     Sie sich vielleicht verirrt?«
    Was hatte sie getan?
    *
    Den Fürsten öffentlich
     anzugreifen wäre Selbstmord gewesen. Doch die Howards konnten die
     befleckte Ehre ihrer Tochter nicht ungesühnt lassen. Die Rache, die
     sie planten, war exquisit. Sie würden London mit Geschichten und
     Liedern einer Frau überfluten, die ihrem Mann die Treue hielt, während
     sie von einem Fürsten verleumdet und ruiniert wurde, der einst der
     Freund ihres Mannes gewesen war. Sie würden keine Namen nennen, aber
     der Bezug wäre eindeutig. Der zentrale Streich wäre ein Stück
     aus der Feder von Londons bestem Theaterschreiber: Mr William Shakespeare.
    Shakespeare lehnte bedauernd
     ab, indem er sagte, er nehme keine persönlichen Aufträge an.
    Die Familie war voller Verständnis,
     doch unter den Umständen waren sie sicher, dass er eine Ausnahme
     machen würde.
    Nachdem er sich die Umstände
     angesehen hatte, stimmte er zu. Dafür sorgten sie; als Oberkammerherr
     war der Graf von Suffolk in der Position, nachhaltige Drohungen bezüglich
     des Theaters zu machen. Aber schließlich war es das Zuckerbrot,
     nicht die Peitsche, das Shakespeare für sie gewann.
    »›Quixote‹?«,
     fragte Theophilus Graf Howard de Waiden ungläubig. »Was sollte
     für Shakespeare an Cervantes so verlockend sein?« Die englische
     Übersetzung des Buchs, die eben fertiggestellt worden war, war Theo
     gewidmet, und da Cervantes in ganz London Stadtgespräch war, zeigte
     er ein gewisses besitzergreifendes Interesse an dessen Werk.
    »Nicht Cervantes ist
     der Köder«, gab sein Großonkel zurück, und sein Ton
     ließ keinen Zweifel an seiner Verachtung für Theos Mangel an
     Feinsinn.
    »Wer dann?«,
     fragte Theo.
    »Der Übersetzer«,
     sagte sein Vater, der Graf von Suffolk, knapp.
    Am gleichen Abend zwang Theo
     einen nachhaltig eingeschüchterten Thomas Shelton zu einem Geständnis.
     Thomas hatte die Übersetzung nicht selbst verfasst, auch wenn von ihm
     die schmeichelhafte Widmung an Theo stammte. Die Übersetzung war das
     Werk seines Bruders William, unter dessen Namen sie nie hätte veröffentlicht
     werden können. William war Persona non grata - ein Jesuit, der in
     Spanien lebte, wie Theos Großonkel nur zu gut wusste.
    »Woher weiß er
     das?«, fragte Theo.
    »Der Graf von
     Northampton hat ihn hingeschickt«, stotterte Shelton.
    Wie gewöhnlich hatte
     Theos Großonkel recht behalten. In einem Haus im Londoner
     Blackfriars-Viertel vergrub sich Mr Shakespeare in Cervantes’
     Meisterwerk.
    Wenig später erfuhr
     Northampton von der verbotenen Liebschaft seiner Großnichte mit
     Robert Carr. »Keine Liebschaft«, schleuderte die tränenüberströmte
     Frances ihrem Großonkel und ihrem Vater entgegen. »Eine große
     Leidenschaft.« 
    Doch die Rechtfertigung
     beeindruckte weder Northampton noch Suffolk. Eine Verbindung mit dem Günstling
     des Königs bot weder das Prestige noch die Sicherheit, die eine
     Verbindung mit dem Sohn des Königs versprach. Andererseits, als
     Quelle der Macht und des Reichtums war sie nicht völlig zu verachten.
     Dem König war es recht,

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