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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Hauptschiff.
    Athenaide stand auf und zog
     mich mit. Sie packte mich fest am Ellbogen und lotste mich in die Vierung
     und zurück in den Altarraum. Sie schien den Weg zu kennen. Vielleicht
     wusste sie beim Altar ein besseres Versteck. Darunter womöglich. In
     manchen Kirchen gab es verborgene Kammern - eine Falltür zur Krypta
     vielleicht. 
    Am Ende des Hauptschiffs
     wurde eine Taschenlampe angeknipst. Schnelle Schritte kamen auf den
     Chorraum zu. Wir beeilten uns, doch anstatt zum Altar zog mich Athenaide
     zur Südwand der Kirche. Direkt hinter dem Chorgestühl war eine
     kleine Pforte, die einst zum Beinhaus geführt hatte, der kleinen
     Kapelle, wo Knochen und Schädel der Toten aufbewahrt wurden. Aber das
     Beinhaus war längst abgerissen und der Eingang versiegelt. Wir saßen
     vor der verschlossenen Tür fest. Ich wollte zurückweichen, doch
     Athenaides Griff wurde fester.
    Die Schritte erreichten die
     Vierung. Der Lichtkegel der Taschenlampe glitt in den Altarraum, vier, fünf
     Meter von uns entfernt. Es war zu spät, um uns hinter dem Altar zu
     verstecken. Wir drückten uns gegen die Wand, und dann öffnete
     sich die Tür lautlos in gut geölten Angeln.
    Wir standen draußen in
     der Nacht.
    Matthew. Ich drehte mich um.
    Doch Athenaide schloss die Tür
     hinter uns und zog mich hinaus zwischen die Grabsteine. Wir rannten im
     Zickzackkurs durch die Gräber und den wabernden Nebel, dann hatten
     wir den Kirchhof hinter uns gelassen. Ich blieb abrupt stehen, als der
     Boden vor uns abfiel. Wir standen an der Böschung. Doch Athenaide war
     nicht stehen geblieben, sondern kletterte zum Fluss hinunter.
    Hinter uns flog das Portal
     der Kirche auf, und ein Lichtkegel zuckte durch die Nacht.
    »Kate!«, schrie
     Ben.
    Ich hastete hinter Athenaide
     her. Unter uns schaukelte ein Boot im Wasser, halb verborgen unter dem
     Schilf. Wir stiegen ein und legten uns flach hin.
    Matthew. Ich versuchte mir
     nicht vorzustellen, wie er am Kirchenboden verblutete. Er war nur
     meinetwegen in England, um mir zu helfen, und jetzt lag er meinetwegen im
     Sterben oder war schon tot. Wieder erhob sich das Heulen in mir, und ich
     musste es unterdrücken.
    Wir lauschten, als Ben über
     unseren Köpfen fluchend zwischen den Gräbern herumstapfte, auf
     der Suche nach uns. Allmählich arbeitete er sich zur anderen Seite
     der Kirche vor. Trotzdem machte Athenaide keine Anstalten abzulegen.
    Dann näherten sich leise
     Schritte und blieben am Rand des Schilfs stehen. Wir waren mucksmäuschenstill,
     und Athenaide hob die Pistole und zielte auf die Böschung.
    »Vero«, flüsterte
     eine Stimme.
    »Nihil verius«,
     antwortete Athenaide.
    Im Schilf raschelte und
     quietschte es, einen Moment später stieg Matthew zu uns ins Boot.
     Endlich machte Athenaide die Leine los. Matthew drückte mir die
     Schulter, dann griff er nach den Riemen und begann, flussaufwärts zu
     rudern.
    Er hielt das Boot dicht am
     Ufer, wo es unter den überhängenden Bäumen fast unsichtbar
     war. Das leise Klatschen der Ruder ging im sanften Prasseln des Regens
     unter. Dann lag der Park hinter uns, und wir kamen an den Steg der Seilfähre.
     Hastig machte Matthew das Boot fest, und wir verschwanden zwischen den Bäumen.
    Vor uns bog ein Wagen in die
     Straße. Als er näher kam, öffnete sich die Tür. Ohne
     zu warten, dass er anhielt, duckte sich Athenaide auf den Rücksitz,
     und ich folgte ihr. Matthew stieg als Letzter ein.
    »Coventry«, sagte
     Athenaide, und der Fahrer nickte.
    Ich sah mich um. Keine
     Schritte rannten hinter uns her. Kein Wagen folgte uns. Nichts regte sich
     in den stillen Gassen.
    »Das Grab«, flüsterte
     ich. »Deswegen folgen sie uns nicht.«
    »Wahrscheinlich.«
     Athenaide nahm eine Thermoskanne mit Kaffee aus einem Fach in der Wagentür.
    »Aber sie werden es
     öffnen«, protestierte ich und versuchte über Athenaide
     nach der Wagentür zu greifen.
    Athenaide legte die Fland auf
     mein Knie. »Lassen Sie sie.«
    »Sie verstehen nicht«,
     sagte ich. »Sie werden finden, was Ophelia dort hinterlegt hat. Und
     wenn es nicht das ist, was sie sehen wollen, zerstören sie es.«
    »Nein, das werden sie
     nicht«, erwiderte Athenaide und tastete vor ihren Füßen
     herum. Lächelnd holte sie ein mit reichen Intarsien verziertes
     Rosenholzkästchen hervor und legte es mir auf den Schoß.
     »Wir waren vor ihnen da.«
     
    ZWISCHENSPIEL
      August 1612
    Sechs lange Jahre hatte sie
     ausgeharrt. Nun war der

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