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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Rosen den Garaus machen. Und doch blüht sie
     treu jedes Jahr aufs Neue, in süßer Überfülle.
     
    »Francis«, sagte
     ich plötzlich. »Der Elf unter dem Rosenbusch war Francis Child.«
    »Child von der
     Child-Bibliothek?«, fragte Matthew.
    »Er hatte zwei
     Leidenschaften im Leben: Rosen und Shakespeare«, sagte ich. Mein
     lieber Francis, hatte Ophelia ihn angeredet.
    Während der nächsten
     Tage brüten sie gemeinsam über Jems Folio, doch sie finden
     nichts. Als sie nicht weiterwissen, mieten sie Pferde und eine vierköpfige
     bewaffnete Eskorte und reiten in die Berge, um Jems Claims zu untersuchen.
    »Das leuchtet ein,
     oder?«, fragte Matthew aufgeregt. »Wenn er etwas gefunden hat,
     musste er einen Claim abstecken.«
    Matthew hatte recht. Ich habe
     etwas entdeckt, hatte Jem an Professor Child geschrieben. Nicht alles gleißt,
     was Gold ist, hatte er noch gesagt.
    Doch Athenaide schüttelte
     den Kopf. »Ich bin überall gewesen«, sagte sie. »Bei
     jedem einzelnen Claim. Es ist nichts da. Keine Stollen. Keine Gräber.
     Keine Gebäude. Nichts, was sich im Entferntesten als das geheime
     Versteck eines Priesters aus dem 17. Jahrhundert eignen würde.«
    Ungeduldig las ich weiter:
     
    Du wirst Dich jener Tage
     erinnern, wie süß und heiß sie waren, und des letzten
     Nachmittags, als wir im Gras der Senke lagen, hoch über uns der Adler
     und die Männer hinter der Biegung des Flusses, die im Wasser tollten
     und lachten.
    Ich will Dir sagen, woran
     ich mich erinnere. Nachdem ich fünfzehn Jahre gewartet hatte, lernte
     ich an einem einzigen Nachmittag, was es heißt, zu lieben und
     geliebt zu werden. Ich weiß, daß es unmöglich ist, doch
     ich sehe weiße Rosen vor mir, die auf uns herabschwebten wie
     duftender Schnee.
     
    Als sie am Abend nach
     Tombstone zurückreiten, treffen sie auf halbem Weg eine schwer
     bewaffnete Rettungsmannschaft, die sie zurück in die Stadt
     eskortiert. Am Vorabend war der Apachenführer Geronimo ausgebrochen,
     er hatte im Schutz der Dunkelheit mit Mann und Maus das Reservat
     verlassen. Ein weiterer Apachenkrieger, der im Norden von Sonora kämpfte,
     hatte in New Mexico eine breite Schneise der Verwüstung angerichtet.
    Ophelia und Francis wollen
     sich nur noch einen Claim ansehen -Kleopatra. Doch über Nacht hatte
     sich die Welt verändert. Niemand würde sie auch nur einen
     Kilometer hinter die Stadtgrenze begleiten, und erst recht nicht in die
     Berge. Sie können nicht einmal Pferde mieten und allein losziehen.
     »Verschwendung von guten Tieren«, knurrt der Mann und spuckt
     auf den Boden. Ihre Suche ist vorbei.
    Nach einem einsilbigen
     Abendessen liegt Ophelia die ganze Nacht wach. Vor Anbruch des Morgens
     steht sie auf und zieht sich an. Die Shakespeare-Folio hinterlässt
     sie der Wirtin mit der Nachricht: »Für die blonde Frau.«
     Vor die Tür des Professors legt sie eine einzelne getrocknete Rose.
     Und dann geht sie.
    Abrupt endete die Geschichte.
    »Blättern Sie
     weiter«, sagte Athenaide.
    Auf einer leeren Seite
     schwebte ein einzelner Satz.
     
    Es wird ein Kind geben.
     
    Die Worte tanzten vor meinen
     Augen. »Sie hat es ihm nie gesagt«, erklärte Athenaide
     leise. »Sie ging nach England zurück, nahm einen anderen Namen
     an und begann Vorlesungen zu halten, wie Delia einst, und auch sie hatte
     Erfolg damit. Doch sie kehrte nie zu Jems Claims zurück, und sie hat
     sich nie wieder mit dem Professor in Verbindung gesetzt. Sie hätte es
     nicht ertragen, dass man sie ansah, wie sie die blonde Frau angesehen
     hatte, schreibt sie, und auch den Gedanken nicht, dass die Frau des
     Professors fühlte, was Ophelia an jenem ersten Abend für Jem gefühlt
     hatte.«
    Ich sah auf.
    »Einen letzten Teil hat
     sie noch geschrieben«, sagte Matthew. »1929.« Er blätterte
     zum Ende des Tagebuchs vor, wo Ophelias Schrift wieder die Seiten füllte.
     Ich las den letzten Eintrag.
     
    … ist längst
     eine wunderschöne Frau. Wenn sie nach ihrem Vater fragt, sage ich
     immer, sie sei Shakespeares Tochter.
    Wahrscheinlich hätte
     ich wissen müssen, daß sie zum Theater gehen würde. Sie
     hat Erfolge in London und in New York gefeiert - auch wenn selbst das der
     Vergangenheit angehört. Manchmal frage ich mich, ob Du sie je gesehen
     hast und ob Dein Herz dabei in Deiner Brust pochte, ohne daß Du wußtest,
     weshalb.
    Ich habe sie nach
     Shakespeare genannt, und nach den Rosen, die ihr Vater so liebte:
     Rosalind.
    Rosalind

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