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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Hedingham. Dem Stammsitz des Grafen von Oxford in Essex, nordöstlich
     von London. Eins der schönsten erhaltenen Beispiele normannischer
     Architektur.«
    Einen Moment blieb ich auf
     der Schwelle stehen und sah mich um. Der Stammsitz des Grafen von Oxford.
     Oxfords Hedingham in Hamlets Helsingor, in der Geisterstadt Shakespeare.
     Das perfekte Matroschka-Spiel einer Milliardärin.
    Nicht, dass der Anblick
     prunkvoll war - nach all der barocken Pracht von Wilton House wirkte die
     mittelalterliche Schlichtheit des Saals beinahe spartanisch. Bis auf den
     Tisch, ein paar Stühle und Kissen in der Mitte und die Vitrinen an
     der Wand gab es nicht viele Möbel.
    Graciela servierte ein kaltes
     Abendessen - Salade Niçoise mit Räucherlachs, frischen Brötchen
     und einer leicht gekühlten Flasche würzigem Pinot Noir. Die Gläser,
     die sie brachte, waren mundgeblasen, aus blauem und weißem Glas,
     wahrscheinlich echte venezianische Kelche aus dem 17. Jahrhundert.
    Athenaide übergab mir
     Ophelias Tagebuch, dann ging sie an den Tresor und hielt ihre Hand an den
     Scanner. Die Tür sprang auf, und sie nahm ein Buch heraus. Der
     Einband war von der Wüstenhitze verzogen und das rote Leinen
     ausgefranst und verblichen.
    Graciela schenkte Wein ein,
     dann ließ sie uns allein.
    Athenaide legte das Buch auf
     den Tisch. »Vero nihil verius«, sagte sie. »Nichts ist
     wahrer als die Wahrheit. Was die Wahrheit auch bringt.« Dann schob
     sie das Buch in meine Richtung. »Öffnen Sie es.«

 
    40
    Die Titelseite von Jems Folio
     ließ sich leicht aufschlagen. Gegenüber von Shakespeares
     missbilligendem Blick waren zwei Unterschriften: Ophelia Fayrer Granville , in kleinen ordentlichen
     Buchstaben am oberen Rand; darunter, in größeren, lockeren
     Kurven Jem
     Granville . Weiter
     unten stand in Ophelias Handschrift das Sonett aus der First Folio in
     Valladolid.
    »Es muss etwas sein,
     das hier, und nur hier, in diesem Buch, steht«, sagte Matthew.
     »Jem sprach von ›meinem jakobäischen Magnum opus‹.«
    Außer den Namen und den
     Versen war die Seite leer. Doch das Papier war angesengt und wellig, als wäre
     es nass geworden. Anscheinend hatte jemand - Ophelia? - versucht, mittels
     Wasser, oder einer anderen Flüssigkeit, und Hitze eine geheime
     Botschaft ans Licht zu bringen. Da manche unsichtbaren Tinten unter
     Hitzeeinwirkung sichtbar werden und wieder verschwinden, wenn sie abkühlen,
     zündete Athenaide eine Kerze an, und wir versuchten noch einmal, die
     Seite zu erhitzen. Nichts.
    Ich blätterte durch die
     Seiten und suchte nach Randbemerkungen. Die einzigen, die ich fand, waren
     zu ›Hamlet‹ - und die sahen aus wie Notizen für Jems
     Aufführung. Egal wie ich sie las, ich konnte keine andere Bedeutung
     erkennen. Mit meinem Glas ging ich im Saal auf und ab und dachte nach.
     Irgendwo musste die chiffrierte Botschaft sein. Es gab keine andere Möglichkeit.
    Dann schlug ich das Tagebuch
     auf und las noch einmal den Satz, den Ophelia aus Jems Brief
     zitierte, genau wie er an sie geschrieben hatte: Ps. Falls Du Zweifel
     hast, in meinem jakobäischen Magnum opus habe ich die Stelle
     chiffriert -1623, die Seite mit der Signatur. Ich biss mir auf die Lippe.
     Irgendetwas hatten wir übersehen.
    Was?
    Ich hätte alles darum
     gegeben, Ophelias Brief an Emily Folger noch einmal zu lesen. Doch ich
     hatte den Brief, zusammen mit den anderen, bei Barnes in Stratford
     gelassen. Sir Henry, der Mistkerl. Also schloss ich die Augen und
     versuchte mich zu erinnern. Ophelia hatte geschrieben: »Jakobäisches
     Magnum opus, c… 1623« - wobei das Wort, das mit c begann,
     unleserlich war. Ich glaubte, mich richtig zu erinnern, doch ohne den
     Brief vor Augen konnte ich nicht sicher sein.
    Abrupt stellte ich das
     Weinglas auf den Tisch und sah mir das Tagebuch näher an. Auf der Rückseite
     der Chambers-Karteikarte hatte Ros geschrieben: Jakobäisches Magnum
     opus, A. D. 1623 - und damit Shakespeares Folio gemeint, was ich nie
     angezweifelt hatte. Keine schlechte Vermutung, wenn man die Stichworte
     Shakespeare, jakobäisches Magnum opus und das Jahr 1623 zusammennahm.
    Doch Ros hatte unrecht, als
     sie Ophelias c als Abkürzung für ›circa‹ las. Und
     wenn man das Wort ›chiffriert‹ benutzte, wie Jem es getan
     hatte, dann war der Satz lange nicht mehr so klar.
    In Ros’ Interpretation
     hatte sich die Jahreszahl 1623 auf das Magnum opus bezogen. Doch bei Jem
     konnte es sich genauso gut

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