Die Shakespeare-Morde
Preston umgebracht haben. Alles wegen eines
Buchs.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es ist deine
Familie. Es ist deine Bibel.«
Mrs Jiménez drehte
sich um und ging hinein. Schweiß lief mir über den Rücken.
Überließ sie uns der Gnade ihres Mannes? Doch einen Moment später
war sie zurück. »Ich glaube nicht, dass Sie eine Mörderin
sind«, sagte sie. »Und mit einer Million Dollar könnten
wir eine Menge anfangen. Eine Ranch betreiben, wie es sich gehört,
zum Beispiel.« Sie legte mir eine Bibel in die Hände. Der
Einband war rissig und verblichen.
Ich holte tief Luft und
schlug sie auf.
Am Anfang schuf Gott Himmel
und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der
Tiefe.
Matthew streckte die Hand aus
und blätterte zur Innenseite des Einbands zurück.
Oben links hatte jemand
ordentlich einen Namen geschrieben: Jeremy Arthur Granville . Weiter unten stand in ungeübten
großen Buchstaben ein weiterer Name: Marie Dumont Espinosa .
Darunter waren in
verschiedenen Tinten und verschiedenen Schriften Geburten, Hochzeiten und
Todestage verzeichnet, über ein ganzes Jahrhundert.
Matthew runzelte die Stirn.
»Wenn hier eine unsichtbare Chiffre gewesen wäre, finden wir
sie jetzt bestimmt nicht mehr.«
Ich schüttelte den Kopf
und blätterte weiter.
»Ophelia sprach von der
Seite mit der Signatur«, protestierte Matthew.
»Sie hat Granville
zitiert. ›Ps. … in meinem jakobäischen Magnum opus habe
ich die Stelle chiffriert -1623, die Seite mit der Signatare Wir haben
›Ps.‹ immer als ›Postskriptum‹ gelesen. Aber
das wäre ja ›PS‹ - in Großbuchstaben - gewesen.
›Ps.‹ ist die gängige Abkürzung für Psalter.«
In der Mitte der Bibel fand ich die Psalmen und hielt inne.
»Du meinst, er hat
seine Signatur mitten ins Buch gesetzt?«
»Nicht Granville.«
Ich blätterte ein paar Seiten weiter und schlug das Buch auf.
»Da ist überhaupt
keine Signatur«, sagte Matthew. Mr und Mrs Jiménez beugten
sich über das Buch.
Ich zeigte auf den Psalm am
unteren Rand der linken Seite. »Lies.«
Widerwillig sah Matthew in
die Bibel. »Psalm 46«, begann er. »God is our refuge and
strength, a very present help in trouble. Therefore will not we fear,
though the earth be removed, and though the mountains be carried into the
midst of the sea; Though the waters thereof roar and be troubled, though
the mountains shake with the swelling thereof… Ich begreife es
nicht.«
Hinter ihm färbte sich
der Himmel purpur, rosa und gold. »Psalm 46«, wiederholte ich.
»Zähle 46 Worte von oben.«
Er runzelte die Stirn.
»Tu es einfach.«
Beim Zählen ließ
er den Finger über die Seite gleiten. »Eins, God. Zwei, is.
Drei, our …« Seine Stimme verlor sich, und er zählte
leise weiter. »44, the. 45, mountains. 46, shake.«
Er sah auf.
»Und jetzt zähl 46
Worte von unten.«
»Das meinst du nicht
ernst.«
»Zähl.«
»Eins, Sela.«
»Nicht das. ›Sela‹
ist eine Art Zäsur im Hebräischen, jedenfalls gehört es
nicht zum eigentlichen Psalm. Es zählt nicht mit.«
»Na schön.«
Er fing noch einmal an.»… 44, sunder. 45, in. 46, spear.«
Er sah auf. »Shakespeare«, flüsterte er. »Die Seite
mit der Signatur.«
»Sie meinen,
Shakespeare hat die Bibel geschrieben?«, fragte Mrs Jiménez
entsetzt, und ihre Stimme überschlug sich beinahe.
»Nein«, sagte
Matthew und sah mich an. »Sie meint, Shakespeare hat die Bibel
übersetzt. Oder zumindest dabei geholfen.«
Ich hielt seinem Blick stand.
»So sieht es aus, oder? Die King-James-Bibel soll 1610 fertig
geworden sein, ein Jahr bevor sie gedruckt wurde. Shakespeare wurde 1564
geboren. Womit er zum fraglichen Zeitpunkt 46 gewesen wäre.«
»Also Psalm 46«,
sagte Matthew. »Aber woher wusstest du das? Ach ja … All die
Recherche zum okkulten Shakespeare.«
Ich lächelte grimmig.
»All die Recherche, die Ros für so überflüssig hielt.«
Er wollte protestieren, doch
Mrs Jiménez unterbrach uns. »Sie sehen, dass jemand in den
Psalm hineingekritzelt hat?«
Tatsächlich, jemand
hatte einzelne Buchstaben mit schwarzer Tinte übermalt. Es sah aus
wie die Kritzeleien eines geistesabwesenden Lesers. Doch Jem Granville
malte nicht in seinen Büchern herum, das wussten wir.
»Das ist kein Gekritzel«,
sagte ich, »es ist die Chiffre. Mrs Jiménez, haben Sie einen
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