Die Shakespeare-Morde
entdecken.
»Hast du die Polizei
gerufen?«, fragte Matthew.
»Du hattest das
Telefon.«
Er runzelte die Stirn.
»Vielleicht Graciela, bevor sie …«
Ein paar Minuten später
kam ein Notarztwagen vorbei, gefolgt von der Polizei und dem Sheriff.
Keiner hielt an.
Ich wartete drei Minuten.
Dann fuhr ich, ohne die Scheinwerfer anzuschalten, auf die Straße
zurück. Fünf Minuten später waren wir auf dem Highway, in
Richtung Arizona.
41
Wohin fahren wir?«,
fragte Matthew.
»Zu den Jiménez’.«
»Wissen wir, wo sie
wohnen?«
»Wir haben Athenaides
Handy.«
Er fand die Wiederwahltaste,
und ich sprach mit Mrs Jiménez. Ich erklärte ihr, dass
Athenaide verhindert sei, dass wir aber trotzdem zu ihr kämen
… Es war nicht ganz gelogen, aber es war auch nicht die Wahrheit.
Mrs Jiménez schien es
zu genügen. Sie erklärte uns den Weg.
»Willst du darüber
reden?«, fragte Matthew, nachdem ich aufgelegt hatte.
»Ich weiß erst
mehr, wenn ich die Bibel sehe.«
»Ich meine über
Sir Henry.«
Meine Hände waren
feucht, und ich spürte meinen Puls in den Schläfen, doch ich schüttelte
den Kopf. Ich hatte einen Menschen umgebracht. Ich hatte Sir Henry
umgebracht… Er oder Ben - oder beide - hatten Athenaide vergiftet
und Graciela die Kehle durchgeschnitten, und Sir Henry hatte versucht,
mich umzubringen. Wir hatten das jakobäische Magnum opus gefunden -
zumindest so gut wie.
Ich hatte Sir Henry
umgebracht.
Ich starrte auf die Straße,
die unter uns vorbeiflog. Im südlichen Teil von Arizona und New
Mexico liefen kleine Hügelketten im Zickzack durch das Land und
schlossen weite Täler ein, wo vor langer Zeit flache Meere oder
riesige Seen gewesen waren. Wir fuhren um das nördliche Ende der Chiricahuas
und von dort aus weiter an der Nordflanke der Dos Cabezas entlang. Nach
den letzten Ausläufern der Dos Cabezas machte der Highway eine
Biegung nach Süden. Im Osten strahlte ein silberner Streifen über
dem Kamm der Dragoons. Darüber verfärbte sich die Nacht allmählich
violett. Als sich der Highway nach Tucson verzweigte, blieben wir auf der
I-80 und fuhren nach Süden. Im flachen Farmland bei St. David überholten
wir einen Traktor und rasten weiter.
Als wir uns Tombstone näherten,
wurde das Land wieder hügeliger. Kurz vor der Stadt fuhren wir vom
Highway ab und über eine Schotterpiste in nordöstlicher Richtung
auf den Südrand der Dragoons zu. Der Himmel im Osten hatte sich
inzwischen blutrot gefärbt. Die Berge darunter waren schwärzer
als schwarz. Sie wirkten massig und schwer, wie düstere Überbleibsel
einer anderen Welt.
Wir rumpelten über ein
Viehgatter und fuhren über eine holprige Piste, die für Geländewagen
gemacht war. Irgendwann kamen wir an einer dunklen Scheune vorbei, an
Gattern aus geflochtenen Mesquite-Zweigen, verrosteten Teilen von
Farmmaschinen, alten Pritschenwagen und Reitgerät. Unter einer Gruppe
von Pappeln stand ein langes rosa Adobe-Haus mit spitzem Blechdach. Die
weiß getünchte Veranda, die etwas plump an der Fassade klebte -
anscheinend nachträglich angebaut -, erinnerte eher an Iowa als an
den Wilden Westen. Hunde kläfften und bellten und jagten den Reifen
des Wagens hinterher, und Hühner gackerten aufgeregt, als wir
vorfuhren. Auf der Veranda erschien eine dickliche dunkelhaarige Frau mit
weicher brauner Haut und wischte sich die von der Arbeit gegerbten Hände
an einem Küchenhandtuch ab. Ihr folgte ein schlaksiger, o-beiniger
Mann mit Cowboyhut und Jeans, der seinen dampfenden Kaffeebecher mit auf
die Veranda brachte. An der Hüfte trug er einen alten
Sechser-Revolver. Er nahm den Hut ab, schlug damit nach den Hunden und
befahl ihnen, still zu sein. Dann stellte er sich und seine Frau als Memo
und Ñola Jiménez vor.
Mrs Jiménez sah uns
wachsam an. »Die Bibel ist nicht zu verkaufen«, sagte sie mit
der weichen Aussprache von jemandem, der mehr Spanisch als Englisch
sprach.
Mr Jiménez nickte.
»Sie hat Nolas Urgroßmutter gehört.«
Ich beugte mich vor. »Ich
will sie mir nur ansehen.«
Der Rancher betrachtete
nachdenklich die dunklen Berge. Sein graues Haar war an den Seiten platt
gedrückt, wo er die meiste Zeit seines Lebens einen Hut getragen
hatte. »Seit hundert Jahren interessiert sich keiner für Jeremy
Granville. Jetzt waren in zwei Wochen drei von euch da. Scheint mir
angebracht, zu fragen, was
Weitere Kostenlose Bücher