Die Shakespeare-Morde
auff die Bühne.
Durch die seltsamen Irrungen des Schicksals ließ sie vnsere kleine
Welt einst in Flammen aufgehen vnd kostete das Mädchen beynahe das
Leben.
»Das Mädchen?«,
knurrte Sir Henry.
»Das Mädchen, das
vom Feuer im Globe eingeschlossen wurde«, sagte ich. »Dem
ersten Feuer. Sie muss überlebt haben.«
Ein Hinweis hier, eine
Thatsache da, vnd bald fielen die Howards in Ungnade, vnd es blieb ihnen
nur, ihrer eigenen Tochter die Schuld zu geben. Ich sah es gern - den
Austausch der Ungefälligkeiten.
Nun, da alles, was gesagt
werden kann, längst der Vergangenheit angehört vnd die anderen
Stücke der Unsterblichkeit im Druck entgegensehen, hebt die alte
Geschichte das hornige, schweflige Haupt wie ein Drache, der, totgeglaubt,
nur schlief. Itzo stellt allein dies Stück eine Bedrohung für
sie dar, denn auch sie fand, wie Leonora, unverhoffte Seligkeit im Hause
Cardenios.
Vielleicht werdet Ihr
heute darüber lächeln.
Von wem? fragtet Ihr
dereinst im Zorn. Wes Kind ist sie?
Weiland dachte ich, daß
die Zeit die Wahrheit ans Licht brächte. Doch sie ist, wer sie ist,
der Schönheit Rose.
Ich nenne sie Shakespeare’s
Tochter, vnd damit sey es genug.
Sir Henry riss mir den Brief
aus der Hand. »Damit sei es genug.«
Ich streckte die Hand nach
dem Brief aus, doch Sir Henry hielt mir die Pistole an den Kopf.
Das Blut rauschte in meinen
Ohren. Shakespeares Tochter? Ich fuhr mir mit der Zunge über die
Lippen.
Wo war die Hilfe, die Ben
versprochen hatte? Hatte ich den Chip verloren, irgendwo in den Tiefen der
Höhle?
»Sir Henry, bitte«,
flehte ich. »Dieser Brief könnte ein für alle Mal die
Wahrheit über Shakespeare aufdecken.«
»Wenn es nicht
Shakespeare war, der die Stücke geschrieben hat, dann will ich die
Wahrheit nicht hören. Niemand soll sie hören.«
Deswegen hatte er gemordet?
Wegen Shakespeare aus Stratford? War das seine Rechtfertigung für die
Taten, die er begangen hatte? Führte er einen Glaubenskrieg in
Verkleidung eines shakespearischen Kreuzritters?
Sir Henry betrachtete den
Brief. »Ironie des Schicksals. Für das Stück, das
Granville gefunden hat, hätte ich alles gegeben, doch stattdessen
finde ich den Brief, den ich unbedingt im Dunkeln lassen wollte.«
Ich musste Sir Henry
irgendwie dazu bringen, mich an den Rand der Höhle zu lassen, sonst würde
der Peilsender nicht funktionieren. Also erkaufte ich mir Zeit mit der
einzigen Währung, die Sir Henry gelten ließ - mit Shakespeare.
»Aber das Stück hast du auch«, sagte ich. »Es
steckt hinten im ›Quixote‹. Ich glaube, es ist die gleiche
Handschrift. Wenn du willst, lese ich es dir vor.«
Misstrauisch kniff er die
Augen zusammen.
»›Auftritt
Knappe Sancho und Don Quixote‹«, sagte ich. »So fängt
es an. Weiter bin ich nicht gekommen.«
»Zeig her.«
Ich nahm das alte Buch aus
der Satteltasche und zog das Bündel Papiere heraus, das ich
vorsichtig auseinanderfaltete.
Du kannst das Gold behalten,
Freund Sancho. Ich nehme das Buch.
Sir Henrys Augen glänzten
gierig. »Shakespeares verschollenes Stück«, murmelte er.
Dann lächelte er. »Lies.«
Sir Henry die Geschichte von
Liebe und Betrug vorzulesen, während ich auf den Moment lauerte, da
er unvorsichtig wurde - in der verzweifelten Hoffnung, dass ich nah genug
an der Oberfläche war …, dass die Polizei nach uns suchte
… und dass Bens Leben nicht zu schnell in der Dunkelheit zu Ende
ging -, das war die schwerste Aufgabe meines Lebens.
Ich war mit dem ersten Akt
durch und begann den zweiten.
Nun werde ich zur Gruft
meiner Ehre. Ein dunkles Haus, in dem allein der Todt gedeiht.
Ich stockte. Es kommt keiner,
wurde mir plötzlich bewusst. Falls überhaupt jemand auf das
Signal wartete. Ich war zu tief im Innern der Höhle.
Draußen vor der Höhle
führte ein schmales Sims an der Felswand entlang, das sich nach
einigen Metern in nichts auflöste. Bevor Sir Henry reagieren konnte,
war ich über ihn gesprungen und kletterte hinaus auf den Vorsprung.
Ich hielt mich mit einer Hand an der Felswand fest, das Manuskript fest an
mich gedrückt, und zerrte an meiner Kette.
»Kate«, rief Sir
Henry, und diesmal war die Angst in seiner Stimme echt. »Komm zurück.«
Ich riss an der Kette.
»Es gibt keinen Grund,
das Stück oder dein Leben zu riskieren.«
»Ich dachte, mein Leben
hätte ich schon verspielt.
Weitere Kostenlose Bücher