Die Shakespeare-Morde
Lächeln zum Himmel empor.
Tief unten verschwand er mit
einem lautlosen Klatschen. Einmal spülte ihn der Fluss an die Oberfläche.
Dann war er fort.
ZWISCHENSPIEL
Juli 1626
Er hatte damit gerechnet,
durch Feuer und Schwert den Tod zu finden, zumindest durch Feuer und
Fallbeil, vor einer jubelnden Menge. Nicht allein in der Dunkelheit.
Der Gestank des Todes war so
stechend, dass er bei jedem Atemzug würgen musste, und doch war es
die Stille, die ihm am meisten zu schaffen machte.
Anfangs hatte der Pater die
Stille begrüßt. Der Sargento, ein tapferer Mann, lag zwei Tage
lang im Delirium, bevor er starb. Sein Stöhnen und Heulen war fast so
schwer zu ertragen gewesen wie das Scharren zuvor, als er an den Felsen
kratzte, die den Ausgang versperrten. Er hatte an den Steinen geschabt,
bis ihm die Finger in blutigen Fetzen von den Knochen hingen, doch er
hatte sich nicht davon abbringen lassen, bis seine Kräfte in der
Dunkelheit versickerten. Und der Sargento war ein starker Mann gewesen.
Vielleicht waren das Scharren
und die folgende Stille seine Buße, dachte der Pater, die Buße
dafür, dass er gelogen hatte.
Dabei hatte er es nur gut
gemeint. Kurz nach ihrem Aufbruch waren sie an einen Fluss gekommen, der
nach drei Tagen Regen Hochwasser führte. Hätten sie drei weitere
Tage gewartet, wäre das Wasser gesunken - in diesem seltsamen wilden
Land versickerten die Fluten so schnell, wie sie stiegen. Doch der
Capitano war kein geduldiger Mensch. Er hatte sie angetrieben, noch am
gleichen Nachmittag überzusetzen. Sie verloren drei Maultiere mitsamt
ihrer Ladung. Als größtes Unglück betrachtete der Capitano
den Verlust seines persönlichen Weinvorrats und ließ den
Maultiertreiber auspeitschen. Die Männer nahmen es hin, wie sie die
grausame Dummheit des Capitanos stets hinnahmen, mit finsterer Geduld.
Doch als sie erfuhren, dass auch die Bibel des Paters verloren war, war
Panik in ihren Augen aufgeflammt.
Die meisten von ihnen waren
ungebildete Bauern, und da ihre Gottesfurcht mehr auf Aberglauben als auf
aufgeklärter Frömmigkeit gründete, hatte er erst gar nicht
versucht, ihnen die Angst mit Vernunft auszureden. Stattdessen hatte er
den ›Don Quixote‹ aus der Satteltasche gezogen, einen
schweren, edel gebundenen Band, und behauptet, dies sei seine persönliche
Bibel und er wolle sie von nun an mit der Truppe teilen.
Die Panik hatte sich gelegt.
Fortan »las« er das Evangelium, indem er zum Beispiel das
Kapitel mit dem Kampf gegen die Windmühlen aufschlug und aus dem Kopf
die Parabel des verlorenen Sohns erzählte. Es hatte Zeiten gegeben,
da hätte er über eine solche Ironie herzlich gelacht. Aber das
schien längst in ein anderes Leben zu gehören.
Natürlich sahen die Männer
auch das Bündel Papiere, das am Ende seines Buches steckte. Sie
hielten es für eine Predigt, sein persönliches Gebet, und zogen
ihn auf: Sein Glanzstück. Sein Meisterwerk. Wie recht sie damit
hatten. Doch was für eine Art Gebet?
Nun werde ich
Zur Gruft meiner Ehre, ein
dunkles Haus,
In dem allein der Tod
gedeiht.
Der Sargento hatte ihn ein
oder zwei Mal scharf angesehen, doch wenn er einen Verdacht hatte, behielt
er ihn für sich. Anders als der Capitano war der Sargento ein guter
Anführer.
Sie waren dem Flusslauf aus
den Bergen auf eine weite braune Ebene gefolgt, die für die Kastilier
unter ihnen der Heimat täuschend ähnlich sah. Wenige Tage später
waren ein paar Männer, die am Ende der Kolonne herumstreiften, auf
zwei Indianerinnen mit ihren Kindern gestoßen. Bis der Pater
begriff, was in dem johlenden Getümmel vor sich ging, waren die
Kinder tot und die Frauen noch schlimmer dran. Es gehörte zum
Soldatentum; am Anfang hatte er weggesehen. Doch fünf oder sechs Männer
hatten sich so brutal und so ausdauernd an den Frauen zu schaffen gemacht,
dass der Pater auf seinem Maultier nach vorn zum Capitano geritten war, um
sich zu beschweren. Der Capitano galoppierte zum Ende der Kolonne zurück,
stieg schwungvoll vom Pferd und bahnte sich mit der flachen Seite des
Schwerts den Weg durch die Männer. Einen Moment lang betrachtete er
schweigend die Szene, die sich bot. Eins der Mädchen lag bereits im
Sterben. Dann nahm er die andere, vor aller Augen. Am Ende erschlug er sie
mit seinem Schwert.
Er war wieder aufgestiegen,
hatte dem Pferd die Sporen
Weitere Kostenlose Bücher