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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Ohnmacht und lässt einen Dolch und einen
     Abschiedsbrief fallen. Da ihr Selbstmordversuch scheitert, zieht sie sich
     ins Kloster zurück.
    »Kein
     vielversprechender Stoff für eine Komödie«, stellte Ben
     fest.
    »Das ist erst der
     Anfang«, sagte ich. »Wahrscheinlich würde den meisten Erzählern
     an dieser Stelle die Puste ausgehen, aber Cervantes kommt hier erst
     richtig in Fahrt.«
    Ben überlegte kurz.
     »Was, meinen Sie, hat Shakespeare daraus gemacht?«
    »Das ist die
     64-Millionen-Dollar-Frage.« Die Klimaanlage war voll aufgedreht, und
     alles, was nicht niet- und nagelfest war, flatterte im Luftstrom. An den
     Stellen meines Körpers, die direkt angeblasen wurden, fror ich;
     ansonsten war ich schweißgebadet. Ich schälte mich aus dem
     klebrigen Sitz, um mir vom kalten Wind den nass geschwitzten Rücken
     trocknen zu lassen. »Ich hoffe nur, dass er den alten Ritter und
     seinen Knappen dringelassen hat.«
    »Sie ziehen wohl eine
     intelligente Komödie der albernen Liebesgeschichte vor.«
    Er meinte es nicht als Frage,
     doch ich antwortete trotzdem. »Eigentlich immer. Aber das ist nicht
     alles.« Auf der Suche nach den richtigen Worten starrte ich in die Wüste
     hinaus, als könnte ich sie dort draußen zwischen den Steinen
     finden. »Don Quixote und Sancho Pansa … Es sind die beiden,
     die der Geschichte die philosophische Dimension geben … Erst durch
     die beiden wird das Ganze beständiger als irgendeine Seifenoper.«
    »Sie meinen,
     Shakespeare hatte nichts für Seifenopern übrig?«
    Ich wusste nicht, ob Ben
     wirklich neugierig war oder ob er nur stichelte. Wahrscheinlich von beidem
     etwas. Immerhin war er mit Ros verwandt. »Ich glaube, Shakespeare
     erkannte Qualität, wenn er sie vor sich hatte. ›Don Quixote‹
     ist nicht bloß eine Geschichte oder eine Sammlung von Geschichten,
     auch wenn man ihn so lesen kann, wenn man will, und sich gut dabei amüsiert.
     Allein auf der Unterhaltungsebene ist er das Papier wert, auf das er
     gedruckt ist. Aber außerdem ist es ein Buch über Geschichten.
     Und darüber, was passiert, wenn Geschichten sich weigern, in einem
     Buch festgeschrieben zu werden.«
    Während ich zu erklären
     versuchte, was ich meinte, sah ich Ben an, weil ich mich fragte, ob er
     überhaupt zuhörte oder ob er meine Gedanken mit einem Witz
     zunichtemachen würde. Doch er wirkte kein bisschen gelangweilt,
     sondern überaus konzentriert - was so wenig zu seiner Salonlöwenverkleidung
     passte, dass ich plötzlich ein Kichern unterdrücken musste.
    »Sprechen Sie weiter«,
     sagte er mit gerunzelter Stirn. 
    Ich erklärte ihm, dass
     bei Cervantes Cardenios Geschichte mit dem Auftauchen von Gegenständen
     beginnt - einem toten Esel, der noch gesattelt und gezäumt ist, einer
     Ledertasche voll mit Gold, Gedichten und Liebesbriefen -, über die
     der Ritter und sein Knappe auf ihrer Reise stolpern. Kurze Zeit später
     bringt ein Ziegenhirt den Esel und die Tasche mit den unwiderstehlichen
     Gerüchten um einen Verrückten in den Bergen in Verbindung. Als
     Don Quixote und Sancho Pansa dem Wahnsinnigen begegnen, vermischen sich
     die Gerüchte mit dem Tatsachenbericht, den ihnen der junge Mann -
     Cardenio natürlich - in einem lichten Moment erzählt: die
     Geschichte seiner verlorenen Liebe und des Verrats durch seinen Freund. Am
     Ende verselbstständigt sich Cardenios Geschichte, indem sie in die
     Realität hineinplatzt (zumindest in die von Don Quixote und Sancho
     Pansa), als der Ritter und sein Knappe in einem Rasthaus allen
     Hauptfiguren begegnen, die weinen, schreien, gegeneinander kämpfen
     und einander vergeben. Als die Geschichte ihren Höhepunkt erreicht,
     sind der Ritter und sein Knappe keine Zuschauer mehr, sondern werden als
     Mitwirkende in die Handlung verstrickt.
    »Das klingt ziemlich
     cool«, sagte Ben. »Haben Sie das selbst herausgefunden?«
    Ich lachte. »Schön
     wär’s. Aber es geht alles auf Cervantes’ Konto. Viele
     seiner Geschichten haben dieses Element: Irgendwie sind sie unfassbar.«
     Ich hob meine falsche blonde Mähne an und beugte mich vor, um Luft an
     meinen Nacken zu lassen. »Aber wenn sogar ich so ein Manöver
     erkenne, erwarte ich von Shakespeare, dass er es mindestens noch schneller
     und besser versteht. Immerhin hat er schon vor ›Cardenio‹
     mit ähnlichen Ideen gespielt. In ›Der Widerspenstigen Zähmung‹
     hat er eine herrliche Komödie daraus gemacht. Und dann ›Macbeth‹
     mit den

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