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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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ganzen eigenartigen Rätseln -«
    »Ein Mann, der nicht
     vom Weib geboren ward; der Tag, an dem der Wald aufsteht, um anzurücken«,
     murmelte Ben, als er meinem Gedankengang folgte. »Macbeth denkt, es
     wären Metaphern für ›keiner‹ und ›niemals‹.«
    Ich nickte. »Aber am
     Ende ist es ganz buchstäblich gemeint. Für Macbeth ist es eine
     grauenhafte Wendung, dass Geschichten, oder wie hier Rätsel, Realität
     werden.« Ich ließ mein Haar herabfallen. »Ich fände
     es tröstlich, wenn Shakespeare gegen Ende seines Lebens auch wieder
     die Komik darin gesehen hätte. Allerdings wüsste ich nicht, wie
     ihm das hätte gelingen sollen - zumindest bei ›Cardenio‹
     -, ohne den Ritter und seinen Knappen als Zuschauer, die in die Handlung
     hineinspazieren.«
    In diesem Moment hatten wir
     beide den gleichen unheimlichen Gedanken. Ich sah, wie sich Bens Hände
     um das Lenkrad verkrampften, und spürte, wie mir die Farbe aus dem
     Gesicht wich. Auf der Spur von ›Cardenio‹ - Shakespeares
     ›Don Quixote‹ - war Ros als der Geist von Hamlets Vater auf
     die Bühne getreten, und wenige Stunden später war sie wie der
     alte Hamlet gestorben, mit Gift im Ohr, die grünen Augen vor
     Entsetzen weit aufgerissen.
    Doch der Mörder spielte
     nicht nur Shakespeare. Auf gewisse Weise spielte er auch Cervantes, indem
     er dem stolzen alten Quixote einen grausamen Streich spielte, die
     Zuschauer in seine Lieblingsgeschichten zwang und die Geschichten lebendig
     werden ließ.
    Oder sterben.
    Und das war kein bisschen
     komisch.
    »Meinen Sie, er kennt
     die Cervantes-Verbindung?«, fragte Ben leise. Ich schüttelte
     den Kopf, doch ich konnte nur hoffen. »Fahren Sie schneller.«

 
    19
    Verschwommen glitt draußen
     die Wüste vorbei. Als der letzte Satz der ›Eroica‹
     verklungen war, legte ich U2 ein. Ich dachte an den seltsamen Zufall, dass
     das größte lebendige Etwas, das ich seit Stunden gesehen hatte,
     der mit kargen Büscheln bewehrte Joshua Tree war, nach dem Bono und
     seine Band ihr Album benannt hatten. Die Musik, die den Wagen erfüllte,
     war genauso weit und einsam wie die Landschaft. »Wie lange noch, bis
     wir die Zivilisation erreichen?«, fragte ich. »Ich sollte mich
     bei Sir Henry melden.«
    »Haben Sie vor, Ihre
     genauen Koordinaten zu verraten?«
    »Nein«, sagte ich
     schmollend. »Ich sage ihm nicht, wo wir sind.«
    Ben warf mir sein Handy auf
     den Schoß.
    »Wie kommt es, dass Sie
     Ihres behalten durften und ich nicht?«, fragte ich. »Weil Sie
     ein Black-Berry haben, das lauter Schnickschnack kann?«
    »Einerseits. Und weil
     keiner auf der Suche nach dem Phantom ist, auf dessen Name es angemeldet
     ist.«
    Ich tippte Sir Henrys
     Handynummer ein und lauschte ungeduldig dem doppelten Tuten der britischen
     Leitungen. Geh ran, bitte.
    Endlich klickte es. »Ah,
     die verlorene Tochter«, sagte Sir Henry, als er meinen Namen hörte.
     »Außer, dass verlorene Töchter irgendwann heimkehren, was
     man von dir nicht behaupten kann. Du leichtsinniges Kind kannst einfach
     nicht still sitzen.«
    »Es tut mir leid -«
    »Und mir nicht mal ein
     Lebenszeichen schicken«, fuhr Sir Henry vorwurfsvoll fort.
    »Jetzt rufe ich an.«
    »Was nur heißen
     kann, dass du etwas brauchst«, sagte er schnippisch.
    Schuldgefühle waren ein
     Luxus, den ich mir nicht leisten konnte. »Das Ergebnis des Bluttests«,
     bat ich.
    Doch ich musste ihn erst ein
     paar Minuten beschwatzen, bis er sich erweichen ließ, mir zu sagen,
     was er wusste. Die Polizei hatte etwas gefunden, doch sie wusste noch
     nicht, was es war. Was Sir Henry sich allerdings nur zusammenreimte, weil
     DCI Sinclair, wie er es ausdrückte, sich selbst von »Inspector
     Grimmig« zu »Inspector Grimmiger« befördert habe
     und mit eigentümlicher Heftigkeit darauf pochte, mit mir persönlich
     über ›Hamlet‹ zu sprechen. Auf meine Abwesenheit hatte
     Sinclair anscheinend relativ ungehalten reagiert. Und als Sir Henry ihm
     stattdessen seine Hilfe anbot, hatte Sinclair zwar angenommen, doch ihm zu
     verstehen gegeben, dass Sir Henry keineswegs ein Ersatz für mich sei,
     was Sir Henrys Laune wiederum nicht gerade besserte. Er konnte eitel wie
     ein Pfau sein.
    Sir Henry wusste zwar nicht,
     was die Polizei gefunden hatte, aber dafür wusste er, was das Globe
     verloren hatte. Als er von der verschwundenen First Folio Edition
     berichtete, erwartete er offensichtlich, dass mir die Luft wegblieb. Doch
     diesmal ließ ich es

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