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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Büschen übersät.
     Die Anzeige behauptete, es herrschten 47°C Außentemperatur, aber
     das schien mir noch tiefgestapelt. Nach dem grellen Licht zu urteilen, war
     draußen mindestens der Siedepunkt erreicht.
    Ben riss mich aus meinen
     Gedanken. »Warum hat Ros eigentlich ausgerechnet Sie beauftragt, für
     ihr Buch durch die Prärie zu fahren? Kommen Sie von hier draußen
     oder so was?«
    Ich lachte kurz. »Nein.
     Ich komme von überall und nirgendwo. Meine Eltern waren Diplomaten.
     Aber ich hatte eine Großtante mit einer Ranch unten im Süden,
     in Arizona. An der mexikanischen Grenze.«
    »Hatte sie einen Namen,
     diese Tante?«
    Ich lächelte. »Tante
     Helen. Sie hieß Helen. Mein Vater hat sie immer die Gräfin
     genannt.« Ich sah in die Ferne. »Meine Eltern starben, als ich
     fünfzehn war. Ein Flugzeugabsturz in Kaschmir, in den Ausläufern
     des Himalaja. Damals ging ich aufs Internat, und von da an verbrachte ich
     die Ferien bei Tante Helen. Zwei Frauen und 5 000 Hektar unberührte
     Wildnis, sagte sie immer. Meine Eltern fehlten mir, und am Anfang habe ich
     es dort draußen gehasst. Nichts als der Himmel und das hohe,
     raschelnde Gras in der Farbe von ausgebleichten Knochen und die seltsamen
     Berge am Horizont. Doch am Ende war Crown der einzige Ort, wo ich mich
     wirklich zu Hause fühlte.«
    Sosehr ich meine Eltern
     liebte, eigentlich hatte ich sie nie richtig gekannt. Die meiste Zeit
     meines jungen Lebens waren sie fast ausschließlich mit sich und
     ihrer Karriere beschäftigt. Tante Helen dagegen hatte mich vom ersten
     Tag an geliebt, mit dem unbeirrbaren Herzen einer Löwin. Tante Helen
     war wie eine Vorbereitung auf Ros gewesen, schoss es mir durch den Kopf.
     Oder sie hatte mir die Kraft gegeben, Ros zu widerstehen, zumindest eine
     Zeit lang.
    »Die Ranch ist
     Vergangenheit?«
    »Meine Tante auch. Sie
     starb, kurz bevor ich den College-Abschluss machte, und dann wurde die
     Ranch aufgeteilt und verkauft - sie war zu teuer, um sie zu vererben.
     Meine Tante wollte nicht, dass einer von uns, meine Cousins und Cousinen
     oder ich, daran gebunden wäre, und sie wollte nicht, dass es Streit
     zwischen uns gab. Jetzt ist das ganze Land ein Patchwork von
     20-Hektar-Ranches, aufgekauft von irgendwelchen Managern, die in ihrer
     Freizeit ab und zu Cowboy spielen. Ich war nie wieder dort.«
    »Das verlorene Paradies«,
     sagte Ben mitfühlend.
    Nach einer Weile nickte ich.
    Von einem Horizont zum
     anderen bewegte sich nichts außer den Autos auf dem Highway, dem
     Flimmern der Hitze und weit oben, am Rand unseres Blickfelds, einem Vogel
     - ein Adler vielleicht -, der sich von den Thermalwinden tragen ließ.   
    »Sie nennen Ros nicht
     ›Tante Ros‹«, bemerkte ich plötzlich.       
    »Das wollte sie nicht.«
     Ben steuerte mit einer Hand, während er mit der anderen eine CD-Box
     durchging. »Ein so großes Land braucht große Musik. U2
     oder Beethoven?«
    »Wie wäre es mit
     großer Literatur?«, entgegnete ich. Fünf Minuten später
     erzählte ich Ben zu den wuchtigen Klängen der ›Eroica‹
     die Geschichte von ›Don Quixotes‹.
    Der Hauptstrang der Erzählung
     war simpel. Im Angesicht einer skeptischen, in die Krise geratenen Welt
     zieht der verrückte alte Don als fahrender Ritter aus und reitet quer
     durch Spanien auf der Suche nach Abenteuern, begleitet von Sancho Pansa,
     seinem nörgelnden Knappen. So weit, so gut.
    Das Problem der Geschichte
     des Cardenio war, dass es sich um einen Nebenstrang handelte, und die
     Nebenstränge im ›Don Quixote‹ sind alles andere als
     simpel. Sie tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder, sobald es
     spannend wird. So weit ich es überblickte, ging Cardenios Geschichte
     wie folgt: Der junge Cardenio, der weit fort von zu Hause im Gefolge des
     herzoglichen Hofs festsitzt, betraut seinen Freund Ferdinand, den jüngeren
     Sohn des Herzogs, mit der Werbung um seine Geliebte Lucinda. Doch als
     Ferdinand Lucinda zum ersten Mal erblickt, wie sie sich im Kerzenschein
     aus dem Fenster lehnt, beschließt er, Cardenio zu hintergehen und
     die Dame für sich zu gewinnen.
    Cardenio kehrt genau zu dem
     Zeitpunkt nach Hause zurück, als die Geliebte an der Seite seines
     besten Freunds vor dem Altar steht und »Ja, ich will« sagt. Er
     springt zwischen die beiden, zieht das Schwert, doch bevor er jemanden tötet,
     flieht er, wahnsinnig vor Eifersucht und Kummer, in die Berge. Vor dem
     Altar fällt Lucinda in

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