Die Sherbrooke Braut
Gesellschaftliche betrifft, um diese Jahreszeit nicht viel bevölkert. Doch es gibt noch genügend passende Unterhaltungsmöglichkeiten. Heute abend findet der Ranleaghs Ball statt. Der wäre angemessen für dein Debüt in die Gesellschaft. Du wirst das gleiche Ballkleid tragen wie in Northcliffe Hall. Ich habe Mrs. Goodham gebeten, dir behilflich zu sein.«
An diesem Abend, kurz nach elf Uhr, im prachtvollen Wohnsitz der Ranleaghs auf der Carlisle Street, stand Alexandra einer Frau gegenüber, die Douglas offensichtlich sehr gut kannte und die scheinbar immer noch Interesse an ihm hatte.
Alexandra belauschte ihr Gespräch und hatte dabei nur ein Quentchen schlechtes Gewissen. Tatsache war, ihr Zorn war weitaus größer als ihr Schuldgefühl. Beide sprachen Französisch miteinander. Sie verstand kein einziges Wort.
Die Frau war viel zu hübsch. Sie wirkte zierlich und sehr weiblich mit ihren großen Augen. Sie hatte ihre weiße Hand auf Douglas’ Ärmel gelegt und stand sehr nah mit leicht vornübergebeugtem Körper bei ihm. Gewiß streifte ihr warmer Atem seine Wangen, so wie bei ihr, wenn sie sein Gesicht küßte. Ihre Stimme klang leise und guttural. Douglas tätschelte ihre Hand und sprach sanft in fließendem Französisch auf sie ein.
Warum hatte ihr Vater auf Italienisch-Unterricht bestanden? Es war völlig sinnlos gewesen. Mein Gott, wie ernst, eindring-lich und interessiert die Frau Douglas ansah! Wer war sie? Hatte Douglas ihr auch Kleider gekauft? Hatte sie ihn dafür belohnt?
In diesem Augenblick drehte sich Douglas um, und Alexandra verbarg sich blitzschnell hinter dem Vorhang eines Alkoven. Ein Pärchen stand dort und küßte sich gerade leidenschaftlich. Alexandra stotterte: »Oh, Verzeihung!« und floh in den angrenzenden Wintergarten.
Sie war fünfzig Leuten vorgestellt worden und erinnerte sich an keinen einzigen Namen. Sie war ganz allein. Zwar erblickte sie Lady Ranleagh, aber die gute Lady war gerade in ein Gespräch mit einem Gentleman mit Perücke vertieft, der sehr bedeutend aussah und einen etwas angetrunkenen Eindruck machte.
Da sie keine andere Wahl hatte, stellte sie sich an den Rand der Tanzfläche und sah den Paaren bei einem anmutigen Menuett zu. Ihre Darbietung war perfekt; alle waren schön und reich und äußerst exquisit. Sie fühlte sich als Eindringling, als Landpomeranze, deren Ausschnitt einen Zentimeter zu hoch geschnitten war. Jeden Moment würden alle mit spitzen Fingern auf sie zeigen und schreien: »Sie gehört nicht hierher! Fort mit ihr!«
»Gehe ich richtig in der Annahme, daß Sie ein verirrtes Schäfchen auf der Suche nach einem freundlichen Hirten sind?«
Eine interessante Einleitung, dachte Alexandra und sah sich nach dem Gentleman um, der sie angesprochen hatte. Er war großgewachsen, gut gebaut, mit sehr blonden Haaren und makellos gekleidet. Wahrscheinlich nicht älter als fünfundzwanzig, doch seine tiefblauen Augen waren so voller Weltschmerz, daß er den Eindruck erweckte, älter zu sein. Er sah gut aus, mußte sie sich eingestehen, und machte in seiner Abendgarderobe eine glänzende Figur. Die allzu welterfahrenen Augen waren jedoch beunruhigend. Und ausgerechnet er bot sich als freundlicher Hirte an?
»Ich habe mich keineswegs verirrt, Sir, sehr freundlich von Ihnen, sich zu erkundigen.«
»Sie sind doch Melissandes kleine Schwester, nicht wahr? Eine der Damen hat mich auf Sie aufmerksam gemacht.«
»Das stimmt. Kennen Sie meine Schwester?«
»Aber ja. Sie ist ein charmantes, hinreißendes Wesen. Hat sie tatsächlich Tony Parish, Lord Rathmore, geheiratet?«
Alexandra nickte. »Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie werden bald nach London kommen.«
»Da nehme ich an, daß Teresa Carleton davon nicht allzu begeistert sein wird. Sie wollte ihn sich nämlich angeln. Ach, Sie wissen nichts darüber? Tony war mit ihr verlobt, und plötzlich war das Verlöbnis aufgelöst. Wortlos hatte er London verlassen. Teresa verbreitete, daß sie ihn überhaupt nicht als Ehemann haben wollte, da er völlig altmodischen und spießigen Vorstellungen nachhing. Ach, meine Liebe, verzeihen Sie. Mein Name ist Heatherington.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Sir. Zu dem, was die Lady über Tony geäußert hat - wenn Sie ihn kennen, dann müssen Sie wissen, daß das alles Unfug und dummes Zeug ist. Tony ein Spießer? Einfach lächerlich. Kennen Sie meinen Mann, Douglas Sherbrooke?«
»Dann stimmt es also doch. Jeder kennt Sherbrooke, oder North, wie
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