Die Sherbrooke Braut
Drohungen zurück, aber, sollte sie sich seinen Wünschen verweigern, würde er sie aussprechen.
Sie blickte nachdenklich vor sich hin, ein Ausdruck, der bei ihm gewöhnlich Mißtrauen auslöste. Ihre makellose Stirn war gerunzelt, ein Zustand, den sie, wüßte sie es, niemals herbeigeführt hätte, denn er minderte ihre Schönheit. Er ließ sie erstaunlich menschlich aussehen. Bald, Gott sei’s gelobt, müßte sich ein anderer Mann mit ihren Launen, ihren Wutanfällen und ihrem Schmollen herumärgern, diesen unvermeidlichen Szenen, die ihm Magengrimmen bereiteten. Doch andererseits würde ihr zukünftiger Ehemann eine der schönsten Frauen Englands sein Eigen nennen.
Der Herzog fragte sich, ob das wohl genügte. Er mochte den Earl of Northcliffe, er hielt ihn für einen edlen jungen Mann. Da er nun wieder bei Gesundheit war, würde er sicherlich von Zeit zu Zeit lächeln und fröhlich sein. Der Herzog konnte sich nicht entsinnen, daß er ungewöhnlich streng und ernst gewesen wäre. Und nun würde er ihm ein Geschenk machen, das die Seele eines jeden Mannes berauschen mußte.
Sich selbst würde er die bitter benötigten finanziellen Mittel gönnen, um das herzogliche Schiff flott zu halten.
Kapitel 4
»Was meinst du, Alex? Soll ich Douglas Sherbrooke mein Ja-Wort geben?«
Warum, so fragte sich Alexandra, während sie ihre Schwester ansah, gaben Leute vor, daß sie die Meinung anderer einholen müßten? Alexandras ruhige Art schien ihre Mitmenschen zu ermutigen, ihr die intimsten Gedanken zu erzählen und sie um ihre Meinung zu fragen. Natürlich hatte sie nicht zu erwarten, daß irgend jemand ihrer Meinung Beachtung schenken würde.
Langsam reckte sie ihr Kinn und sagte laut: »Ich finde, Douglas Sherbrooke verdient es, die schönste Frau der Welt zu heiraten.«
Melissande tigerte gedankenverloren auf und ab. Sie hielt inne: »Was sagtest du?«
»Ich finde, Douglas Sherbrooke...«
»Ach ja, schon gut, ich habe dich verstanden! Wenn ich mich entscheide, ihn zu heiraten, bekommst du deinen Willen, oder?«
Melissande war schon fast überzeugt, daß es für sie das Richtige war, die Countess of Northcliffe zu werden, als ihre Mutter, Ihre Gnaden, Lady Judith, wie eine Gewittersäule in ihr Schlafzimmer rauschte. Ihre schmalen Wangen waren übersät mit roten hektischen Flecken, ihre Hände flatterten vor Empörung. »Dein Vater sagt, daß du den Grafen bald heiraten wirst - nächste Woche, wenn es arrangiert werden kann! Er sagt, wir werden nicht nach London gehen, es wird nicht mehr nötig sein, nach London zu gehen. Oh, dieser Mann ist unmöglich! Was sollen wir machen?«
Alexandra besänftigte sie: »Du weißt Mama, wir haben nicht viel Geld. London wird Papa ein Vermögen kosten. Das kann er sich nicht leisten.«
»Alles Unsinn! Das ist immer sein Klagen. Ich will nach London. Und was dich angeht, meine Tochter, du mußt dringend einen Ehemann finden. Und du triffst ihn nicht beim Unkrautjäten deiner gräßlichen Pflanzen. Nachdem deine Schwester den Mann ihrer Wahl getroffen hat, werden die anderen merken, daß du die nächste bist. Sie werden ihre Gefühle für deine Schwester zurückstehen und sich dir zuwenden. Wie ich schon sagte, dein Vater hat stets geklagt, es sei kein Geld da, aber am Ende war doch immer welches da. Nur dein armer Bruder versucht vergeblich, Kapital aus deinem Vater zu schlagen, um in London das angemessene Leben eines jungen Gentleman zu führen. Es ist entwürdigend, und das habe ich Ihren Gnaden deutlich erklärt.«
Lady Judith unterbrach ihren Redeschwall, um Luft zu holen. »Was hat Papa darauf gesagt?« Alexandra nutzte die kleine Atempause für eine kurze Zwischenfrage.
»Er meinte, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, wenn es dich etwas angeht, mein Kind.«
Alexandra wunderte sich, warum ihr Vater seiner Frau von den Heiratsplänen erzählt hatte. Er war sicher in die Enge getrieben worden. Sie lehnte sich zurück und beobachtete unbeteiligt, wie ihre Mutter und Melissande sich gegenseitig erregten. Das war üblich, wenn eine der beiden nicht ihren Willen bekam.
Zu guter letzt stand Alexandra auf und verließ unbemerkt das aprikosen- und cremefarbene Schlafzimmer ihrer Schwester.
Alexandra wußte, Melissande würde der Heirat mit dem Grafen zustimmen. An diesem Tag wäre sie am liebsten auf einem anderen Kontinent, so daß sie das alles nicht sehen, diesen Tag nicht erleben müßte. Sie wollte das nicht durchstehen, doch sie mußte. Es gab
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