Die Sherbrooke Braut
Schulter, knapp seinen Kopf verfehlend. Der Schlüssel fiel aus seiner Hand klirrend zu Boden.
Sie schnappte ihn sich und eilte zur Tür. Douglas schüttelte den Kopf, wütend, verblüfft und ein wenig verwirrt. Er war zwar schnell, aber nicht schnell genug. Sie war im Nu aus der Tür draußen und schlug sie ihm im nächsten Augenblick vors Gesicht. Als seine Hand den Türknauf umklammerte, hörte er, wie der Schlüssel sich im Schloß drehte. Sie hatte ihn eingesperrt.
Das verdammte Frauenzimmer hatte ihn in den >Goldenen Salon» eingesperrt! Die Tür war alt, sehr edel, massiv und schwer. Mindestens fünf Mann wären nötig, um sie einzuschlagen.
Douglas war Soldat gewesen. Er war stark, hatte einen scharfen Verstand und nur wenige Kämpfe verloren. Himmeldonnerwetter, er sprach sogar fließend Französisch und Spanisch. Und doch haute dieses Frauenzimmer ihn immer wieder übers Ohr. Das war mehr als genug.
Er kapitulierte und brüllte los. »Öffnen Sie diese gottverfluchte Tür! Alexandra, öffnen Sie die Tür!«
Endlich hörte er Hollis mit fester Stimme das ganze Getöse übertönen: »Einen Augenblick, Mylord. Ihre, äh, Ladyschaft hat den Schlüssel weggeschleudert, hier irgendwo unter die Treppen, glauben wir zumindest. Wir machen uns gerade auf die Suche.«
»Haltet sie auf, Hollis! Laßt sie nicht fort!«
»Es besteht kein Grund zur Besorgnis, Mylord. Lady Sinjun hat sie, während unseres Gespräches, äh, aufgehalten.«
Das ging einfach zu weit. Douglas stand da wie eine Steinsäule, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er stand einfach nur da, hilflos, nicht in der Lage, irgend etwas zu unternehmen. Da öffnete sich die Tür. Nun schritt er durch das Menschenknäuel aus Dienstboten und Familie. Onkel Albert und Tante Mildred waren von irgendwo aufgetaucht. Alles schrie und redete durcheinander, ein Höllenlärm, der seine Ohren zum Rauschen brachte.
Er starrte hinüber zu seiner Schwester, die rittlings über Alexandra saß und sie zu Boden gedrückt hielt. Alexandras Arme hatte sie auf dem italienischen schwarzweißgemusterten Marmorboden über ihren Kopf ausgestreckt.
Er starrte fassungslos. Mit Northcliffe Hall war es noch schneller bergab gegangen, als mit einer besiegten Armee. Er warf den Kopf zurück und lachte schallend.
»Allmächtiger«, erklang eine bekannte schleppende Stimme von der Eingangstür. »Na, ich muß schon sagen, Douglas, was zum Teufel geht hier vor? Wieso, um alles in der Welt, sitzt Sinjun auf Alexandra? Woher kommen alle diese Leute? Mir scheint, fast jeder Sherbrooke von London bis Cornwall ist zur Zeit hier anwesend.«
Tony und Melissande traten durch die Tür und mischten sich im Handumdrehen in den Tumult ein.
Kapitel 13
In Anbetracht des vorangegangenen Spektakels saß eine erstaunlich gesittete Menschengruppe wenig später zum Mittagessen rund um den großen Speisetisch. Hollis stand auf seinem Posten und schien unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung, während er diskret beide Lakaien beim Servieren anwies. Weder Harry noch Barnaby sagten ein einziges Wort. Sie bewegten sich wie auf Eiern. Douglas thronte am Kopfende des langen Mahagoni-Tisches. Alexandra, stumm und starr wie eine Statue, saß zu seiner Rechten. Hollis hatte sie mit sanfter
Gewalt dorthin bugsiert. Die verwitwete Countess of Northcliffe saß am anderen Ende des Tisches.
Teufel, dachte Douglas, was für ein verdammtes Durcheinander.
Er nahm sich eine dünne Schinkenscheibe und kaute gedankenverloren daran. Seine Mutter hatte sich hastig den Ehrenstuhl genommen, ehe Alexandra - unpünktlich - ins Speisezimmer trat. Douglas bemerkte es, als es schon zu spät war.
Doch er sagte nichts. Keinen Zwist mehr, keine Auftritte, wenigstens nicht jetzt. Nicht einmal vorstellen wollte er sich, was seine Mutter täte, wenn man ihr eröffnete, daß sie nun nicht mehr die Herrin von Northcliffe war und der Stuhl am Ende des langen Tisches ihr nicht mehr zustand. Im Augenblick wirkte sie recht selbstzufrieden. Das irritierte ihn. Freute sie sich über die hochnotpeinliche Situation, die seine Frau heraufbeschworen hatte? War sie der Meinung, er würde Alexandra von Northcliffe entfernen? Meinte sie etwa, weiterhin die Herrin bleiben zu können, wenn Alexandra blieb?
Natürlich war sich Alexandra ihrer Pflichten als Herrin überhaupt nicht bewußt, das verdammte kleine Ding! Sie nahm nicht wahr, daß die Witwe auf ihrem, Alexandras, rechtlich angestammten Platz saß. Was tun?
Er warf kurz einen
Weitere Kostenlose Bücher